Integrationsminister Manne Lucha (Grüne) beim Besuch einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Ausländer, kurz Uma, in Leonberg. Foto: dpa

Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) wollen den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen in Baden-Württemberg neu regeln. Das kündigen sie in Antworten auf Parlamentsinitiativen von CDU und AfD an.

Stuttgart - In der Debatte um eine verlässliche Altersfeststellung bei vermeintlich unbegleiteten minderjährigen Ausländern (Uma) will sich die grün-schwarze Landesregierung bewegen. Das kündigen Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) in den unserer Zeitung vorliegenden Antworten auf Parlamentsinitiativen von CDU und AfD an.

Bislang sind die Jugendämter in Baden-Württemberg für die Altersfeststellung zuständig, wenn ein Flüchtling ohne Papiere einreist und angibt, minderjährig zu sein. Ausländerbehörden können bei Zweifeln an der Einschätzung zwar jetzt schon eine medizinische Altersuntersuchung anordnen. Sie haben von dieser Möglichkeit bisher jedoch nur in wenigen Einzelfällen Gebrauch gemacht.

Was kommt in die neue Vorschrift zum Ausländerrecht?

Weil zuletzt etliche Fälle bekannt wurden, in denen die sogenannte qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht funktionierte – unter anderem wurde ein 36-Jähriger als Uma eingestuft –, erarbeitet das Sozialressort derzeit ein Konzept mit klaren Standards. Es soll regeln, wie Jugendämter mit neu ankommenden angeblichen Uma umgehen sollen. Das Innenministerium plant darüber hinaus, die Verwaltungsvorschrift zum Ausländerrecht „demnächst“ zu überarbeiten.

Die AfD fordert, die Vorschrift so zu ändern, dass die Ausländerbehörden alle Uma einbestellen müssen, die sich bereits in Obhut der Jugendämter befinden. Drei Mitarbeiter sollen dann unabhängig voneinander prüfen, ob die Minderjährigkeit augenscheinlich ist. Haben zwei der drei Mitarbeiter Zweifel, müsse eine medizinische Untersuchung folgen. Der AfD-Abgeordnete Lars Patrick Berg kritisierte, dass die wider besseren Wissens unterbleibende medizinische Altersfeststellung von Uma das Land Milliarden Euro pro Jahr koste. Dieser Preis sei aber nicht zu hoch, wenn es darum gehe, die grün-schwarze Koalition zu retten, sagte er. „Würde der Innenminister morgen die Ausländerbehörden und das Landeskriminalamt anweisen, alle Uma zu identifzieren, wäre übermorgen die Koalition endgültig zerbrochen.“

Lorek: Bisheriges Verfahren hat sich nicht bewährt

Zuletzt hatte die Mannheimer Polizei bei Verdächtigen von Straftaten mithilfe der Herkunftsländer festgestellt, dass 17 von 17 vermeintlichen Uma aus Nordafrika beim Alter gelogen haben und bereits über 18 Jahre alt sind. Insgesamt leitete die Polizei 53 Personenfeststellungsverfahren bei verdächtigen Jugendlichen ein. Das Jugendamt Mannheim wies darauf hin, dass die bei der Polizei erfassten Altersangaben von den vermeintlichen Jugendlichen selbst stammten.

Die Behörde teilte ferner mit, dass man in zwei Fällen selbst bereits eine Volljährigkeit festgestellt und die Inobhutnahme beendet habe und in sieben Fällen die Betroffenen zum Zeitpunkt der (vorläufigen) Inobhutnahme tatsächlich minderjährig gewesen seien. Eine Person sei ihr nicht bekannt. In sieben Fällen – so das Sozialministerium – waren die vom Jugendamt als minderjährig eingeschätzten Personen nach den nun vorliegenden Daten aus den Herkunftsländern volljährig.

Für CDU-Innenpolitiker Siegfried Lorek ist deshalb klar, dass die bisher praktizierte qualifizierte Inaugenscheinnahme „von oft gut meinenden Jugendämtern sich nicht bewährt“ habe. Es sei notwendig und richtig, dass die Landesregierung das Verfahren zur Altersfeststellung neu aufsetze.

Lorek forderte zudem Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) auf, seine Probleme nicht bei Innenminister Strobl abzuladen, sondern selbst zu lösen: „Er wäre gut beraten, seine eigene Behörden auf Vordermann zu bringen.“ Kurz hatte Ende des vergangenen Jahres wegen einer kleinen Gruppe besonders häufig straffälliger Uma in einem Schreiben an Strobl um Hilfe gerufen.

Derzeit sind laut Sozialministerium rund 6700 Uma in Baden-Württemberg untergebracht. Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, Somalia, Syrien, Eritrea und Gambia. Uma gelten als besonders schutzwürdig. Sie werden von einem Jugendamt in Obhut genommen und im Sinne der Jugendhilfe untergebracht. Laut Bundesverwaltungsamt führt dies zu durchschnittlichen Kosten von 5250 Euro pro Uma und Monat. Hinzu kommt, dass Uma in der Praxis nicht abgeschoben werden können.