Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erwartet eine „deutliche Steigerung“ des gesetzlichen Mindestlohns – und im Nu ist die alte Debatte wieder da. Doch wie realistisch ist sie?
Wie unabhängig ist die Mindestlohnkommission? Mit Äußerungen zur gesetzlichen Lohnuntergrenze hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aus Sicht seiner Kritiker den Eindruck erweckt, das Gremium sei vor allem dazu da, eine – wie er erwartet – „deutliche Steigerung“ des Mindestlohns zu beschließen. Dabei ist dieser erst im Oktober von 10,45 Euro auf zwölf Euro angehoben worden – ein Sprung, mit dem Wirtschaftsverbände nur mühsam ihren Frieden gemacht haben.
Angesichts der hohen Inflation war im vergangenen Monat bereits Streit um die nächste Mindestlohnerhöhung entbrannt. Sozialverbände forderten einen kräftigen Anstieg auf 14 Euro und mehr, die Arbeitgeber warnten vor „unrealistischen Höhen“.
Wer entscheidet über eine Erhöhung?
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte den Mindestlohn im vergangenen Jahr ausnahmsweise per Gesetz angehoben. Den nächsten Erhöhungsschritt soll dann wieder die Mindestlohnkommission mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorschlagen. Dies soll bis zum 30. Juni mit Wirkung zum 1. Januar 2024 geschehen.
Die Aufregung der Wirtschaftsverbände über Heils Vorstoß ist wenig erstaunlich. „Heil macht zum wiederholten Mal einen Vorstoß, mit dem er sich an den Tarifparteien vorbei als Regierungsmitglied in Lohndebatten einmischt – das ist unsäglich“, kritisiert Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Barta. „Heil verkennt eine in Deutschland historisch gewachsene Trennung zwischen den Entscheidungen der Sozialpartner und der Bundesregierung.“
Kanzler Olaf Scholz müsse seinen Minister dringend ermahnen, „damit dieser die Sozialpartner nicht länger düpiert“. Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Gewerkschaften träfen in der Kommission einvernehmliche Entscheidungen. „Heil möchte offenbar bewusst den Eindruck erwecken, ein Regierungsmitglied müsse das Thema an sich ziehen“, moniert Barta.
Das neunköpfige Gremium mit je drei Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, zwei Wissenschaftlern und der Vorsitzenden (Arbeitsmarktexpertin Christiane Schönefeld) legt alle zwei Jahre bis zum 30. Juni einen Bericht vor und gibt eine Empfehlung für die Lohnuntergrenze in den folgenden beiden Jahren ab. Dabei orientiert sich die Kommission an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und nachlaufend an der Tarifentwicklung.