Minderjährige Flüchtlinge im Kinder- und Jugendhilfezentrum der Heimstiftung Karlsruhe Foto: dpa

Innenminister Thomas Strobl will überprüfen, ob nach einer Nacherfassung alle unbegleitete minderjährige Ausländer im Land tatsächlich erfasst sind. Doch wann die Aktion startet, ist noch unklar.

Stuttgart - Eigentlich sollte die erkennungsdienstliche Registrierung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (Uma) in Baden-Württemberg inzwischen funktionieren. Im vergangenen Jahr hatte das Land nicht nur in einer groß angelegten Aktion die Daten von Jugend- und Ausländerbehörden abgeglichen und rund 1000 fehlende Uma tatsächlich nacherfasst. Nach eigenen Angaben informierte das Sozialministerium auch die 46 Jugendämter im Südwesten darüber, wie sie mit neuankommenden vermeintlich minderjährigen Flüchtlingen im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme zu verfahren haben. „Seither haben wir keine Anzeichen, dass es nicht läuft“, sagt die stellvertretende Sprecherin des Sozialministeriums, Claudia Krüger. Die Erfassungslücken seien einst nur entstanden, weil die Behörden durch die hohen Zugangszahlen überlastet gewesen seien.

Doch ob dem tatsächlich so ist oder es mancherorts Nachlässigkeiten gibt, will Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit einer weiteren Überprüfung des Datenbestands der 7150 Uma, die derzeit in Baden-Württemberg untergebracht, herausfinden. „Wir halten den Druck hoch“, sagt Strobl. Ein gemeinsamen Schreiben an die Jugendämter mit der Bitte um Mithilfe stimmen sein Ressort und das Sozialministerium derzeit ab. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es aber Probleme. Weil es um sensible Sozialdaten und damit auch datenschutzrechtliche Fragen geht, hat das Sozialministerium einseitig die Landesdatenschützer eingebunden. Das Innenministerium teilt derweil mit, dass man bei der Ausgestaltung des Verfahrens die Anforderungen an den Sozialdatenschutz „selbstverständlich berücksichtigen“ werde.

Im Zweifel soll geröntgt werden

Wann die Aktion tatsächlich beginnt, steht noch nicht fest. Im Kern geht es dabei nur um Heranwachsende, die ihre Identität nicht nachweisen konnten und noch nicht erkennungsdienstlich behandelt wurden. Von diesem voraussichtlich kleinen Personenkreis soll vor allem Fingerabdrücke genommen und Fotos geschossen werden.

Man dürfe bei diesem Thema nicht nachlassen, sagt Innenminister Strobl. Er hält das Alter für einen der wesentlichen Aspekte der Identität. Es sei „entscheidend wichtig“, wie Strobl ausführt: „Ob jemand 13 oder 17, ob jemand 16 oder 22 ist – das macht Welten aus im Strafrecht, aber auch bei der Unterbringung und bei der Rückführung in das Heimatland.“ Deshalb hat er die Ausländerbehörden erst vor kurzem ermutigt, sich nicht mehr auf die Einschätzung der Jugendämter zu verlassen, sondern in Zweifelsfällen die Handwurzelknochen der Betroffenen röntgen zu lassen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien.

Rechtlich ist es den Ausländerbehörden bereits jetzt erlaubt, in Zweifelsfällen eine Röntgenuntersuchung anzuordnen, um das Alter eines angeblichen Umas medizinisch festzustellen. Wie aus einer Antwort von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) auf einen Parlamentsantrag der SPD hervorging, wurde von der Möglichkeit im Südwesten bislang aber nur in sieben Fällen Gebrauch gemacht.

Ausländerbehörden scheuen den Streit

Die niedrige Zahl liegt auch daran, dass die Ergebnisse der Altersbestimmung durch die Jugendämter den Ausländerbehörden in der Regel nur nachrichtlich übermittelt werden. „Oft ist das Verhältnis zwischen beiden Behörden eher schwierig. Viele Ausländerbehörden trauen sich daher nicht, die Altersangaben infrage zu stellen“, sagt ein kommunaler Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Ihm zufolge übernehmen die Ausländerbehörden lieber das Alter, das die Jugendämter nennen, als einen Streit zu beginnen. Eine flächendeckende Überprüfung des Alters aller Uma in Baden-Württemberg lehnt die grün-schwarze Landesregierung trotz der Umstände ab.

Auch im Zuge der ersten Nacherfassung von fast 1000 Uma im vergangenen Jahr stand das angegebene Alter, anders als zunächst angenommen, nicht im Zentrum der Überprüfung. Dennoch filterte die Polizei, die den Ausländerbehörden Amtshilfe leistete, Fälle im niedrigen zweistelligen Bereich heraus, in denen Flüchtlinge nachweislich falsche Angaben gemacht hatten. Zum einen entlarvten Treffer in der europäischen Fingerabdruckdatenbank Eurodac, dass Betroffene zuvor in einem anderen EU-Mitgliedstaat als volljährig registriert waren. Zum anderen fielen offensichtliche Zweifelsfälle auf, die sich als Uma ausgaben – wie zum Beispiel ein 36-Jähriger.

Altersbestimmung per Ultraschall

Unterdessen ist eine neue Methode bekannter geworden, um die Volljährigkeit junger Menschen verlässlich feststellen zu können: ein mobiler Ultraschall-Handscanner. Er war entwickelt worden, um insbesondere bei Prostituierten feststellen zu können, ob sie bereits 18 Jahre alt sind. Bei einem wissenschaftlichen Projekt habe sich gezeigt, dass die Methode als Screeningverfahren „sinnvoll einsetzbar“ sei, heißt es in einer Antwort von Sozialminister Lucha auf eine parlamentarische Anfrage der AfD. Lucha ist der Auffassung, dass sie „die bestehenden nicht-invasiven Methoden zur medizinischen Altersbestimmung erweitern“ könne. Eine Entscheidung, die Ultraschall-Handscanner künftig zu nutzen, gibt es aber noch nicht.