Zum Abschuss freigeben? Eine Wölfin säugt ihren Nachwuchs. Foto: Imago/Imagebroker

In Deutschland leben immer mehr Wölfe. Nachgewiesen sind laut der jüngsten Statistik mehr als 1300 Tiere. Auch die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere steigt. Umweltpolitiker wollen deshalb den Abschuss von problematischen Tieren beschleunigen. Das reicht manchem nicht aus.

Problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, sollen in Deutschland künftig schneller als bisher getötet werden können. Darauf verständigten sich die Umweltminister von Bund und Ländern bei ihrem zweitägigen Treffen im westfälischen Münster. 

Regionen mit vermehrten Wolfsrissen

Die Bundesländer sollen bestimmte Regionen mit vermehrten Wolfsrissen festlegen. Anders als bisher soll dann für einen Abschuss aber nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden müssen, wenn ein Wolf Schutzvorkehrungen überwunden und Nutztiere gerissen hat. Der Herdenschutz sei ausschlaggebend für ein möglichst konfliktarmes Miteinander von Weidetierhaltung und Wolfsvorkommen, sagte Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Konferenz. "Wir brauchen darüber hinaus aber bundesweit eine praxisgerechtere und rechtssichere Vorgehensweise, um verhaltensauffällige Einzelwölfe zu entnehmen."

Die nun angenommenen Vorschläge hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bereits im Oktober vorgelegt. Sie seien mit dem EU-Recht vereinbar, betonte Lemke. Das Vorgehen bei problematischen Wölfen sei auch ein Zeichen der Versöhnung, um den gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden. Nutztierhalter und Landwirte hatten weitergehende Maßnahmen gefordert.

Eine Übersicht über die verzwickte Problemlage zum Thema Wolf:

Wolfsrisse

Die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere stieg 2022 laut einem Forschungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz auf 1136 Fälle. Dabei wurden 4366 Nutztiere getötet oder verletzt. Am meisten betroffen waren Schafe (3778 Fälle), gefolgt von Rindern (260), Gehegewild (184) und Ziegen (91). Gegenüber 2021 stieg die Zahl der Übergriffe um 17 Prozent und die der betroffenen Nutztiere um 29 Prozent.

In vielen Wolfsterritorien hat es laut Auswertung nur wenige oder keine Übergriffe gegeben, in anderen Gebieten aber eine Häufung. Seit der Rückkehr des Wolfs nach Deutschland vor über 20 Jahren gab es laut Bundesumweltministerium keine Wolfsübergriffe auf Menschen.

Wolfsabschüsse

Der Abschuss von einzelnen auffälligen Wölfen ist auch heute schon unter bestimmten Voraussetzungen in den Bundesländern möglich. Nach Daten des Bundesamtes für Naturschutz sind in Deutschland seit 2017 zwölf Wölfe mit Behördengenehmigung in mehreren Bundesländern getötet worden. Gleichzeitig sind 65 illegale Wolfstötungen entdeckt worden.

Umweltverbände sind gegen eine generelle Jagdmöglichkeit beim Wolf. Das stellt aus Sicht des BUND auch keine Lösung dar, weil die meisten Nutztier-Risse an ungeschützten Weidetieren erfolgten. Der BUND fordert einen bundeseinheitlichen Herdenschutz mit Mindeststandards.

Pläne der Politik

Ministerin Lemke schlägt vor, dass die Bundesländer bestimmte Regionen mit vermehrten Rissen durch Wölfe festlegen.

Hat ein Wolf hier Schutzvorkehrungen wie einen Zaun überwunden und ein Weidetier gerissen, soll auf ihn per Ausnahmegenehmigung 21 Tage lang geschossen werden dürfen – und zwar im Umkreis von 1000 Metern um die Weide.

Anders als bisher soll nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden müssen. Bisher gelten genetische Untersuchungen anhand von Riss- und Fraßspuren als nötig, um einen Abschuss zu ermöglichen.

Streitpunkte

Zum einfacheren Abschuss von Wölfen fordert Bayern von Lemke eine Absenkung der rechtlichen Hürden und des Schutzstatus. „Wir brauchen keine Rechtsberatung, wir brauchen eine Rechtsänderung. Der Bund muss seine Hausaufgaben endlich erledigen“, betont Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler).

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) mahnt Bundesregelungen zum Umgang mit Wölfen, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben. Die Vorschläge Lemkes sind aus seiner Sicht zu vage, um vor Gericht standzuhalten.

Europarecht und Bundesregierung

Der Wolf bleibt nach Ansicht des Bundesumweltministeriums eine nach Europarecht streng geschützte Tierart. Der vorgeschlagene schnellere Abschuss von Problemwölfen soll Tierhaltern mehr Sicherheit geben und dabei im Einklang mit dem europäischen Artenschutz stehen. Eine Änderung des Bundesnaturschutzrechts, das schon den Abschuss von Wölfen mit problematischem Verhalten erlaubt, ist aus Sicht des Bundes nicht erforderlich.

Die Umsetzung von Lemkes Vorschlägen könnten die Länder zeitnah vornehmen. In einem Beschluss soll die gemeinsame Rechtsauslegung von Bund und Ländern dokumentiert werden. Als effizienteste Maßnahme zum Schutz von Nutztieren stellt der Bund Herdenschutzmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutzhunde heraus.

Politische Unterstützung

Ressortchefs der Grünen signalisierten bereits Unterstützung für Lemkes Plan. So mahnt Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer bundesweit einheitliche Regeln an und warnt vor einem Überbietungswettbewerb der Länder bei der Lockerung der Regeln.

Abschüsse nach bestimmten Quoten hielten der Bund und auch Brandenburg nach dem Bundesnaturschutzrecht nicht für rechtskonform, erklärt der Umweltminister des Landes, Axel Vogel (Grüne).

„Wir haben es mit einzelnen Tieren zu tun, die sehr geschickt Herdenschutzmaßnahmen überwinden. Dagegen müssen wir etwas tun, um die Akzeptanz für den Wolf insgesamt zu erhalten“, sagt NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), der die Konferenz leitet.

Info: Wölfe in Deutschland

Wieder zurückgekehrt
Angriffe von Wölfen auf Menschen sind extrem selten und stehen fast immer im Zusammenhang mit Tollwut, die in Deutschland seit Jahren als ausgerottet gilt. Fast 100 Jahre lang hatte man hierzulande Ruhe vor dem Rudelräuber. Am 27. Februar 1904 war das letzte frei lebende Exemplar in der Lausitz zur Strecke gebracht worden. Bis Ende der 1990er Jahre niemand mehr. Dann tauchte er dort wieder auf, wo der Letzte seiner Art den Tod fand – in der Lausitz. Im Jahr 2000 siedelte sich nach 150 Jahren das erste Rudel wieder in der sächsischen Region an. Seitdem nimmt der Bestand zu.

Bestand
Nach Angaben des Wolfmonitorings des Nabu gab es in Deutschland zum Ende des vergangenen Jahres 161 Wolfsrudel mit im Schnitt acht Tieren, 43 Paare und 21 sesshafte Einzeltiere, die sich in den ostdeutschen Bundesländern sowie in Niedersachsen konzentrieren. Ein Rudel besteht aus zwei erwachsenen Wölfen und zwei bis zehn Jungwölfen.

Verhalten
Wölfe verhalten sich in freier Wildbahn nicht so, wie es Menschen gerne hätten. Sie sind weder ungefährlich noch scheu. Seit das schlaue Raubtier gemerkt hat, dass ihm in Deutschland (wo es unter strengstem Artenschutz steht) niemand ans Fell will, verliert es zunehmend seine Scheu und kommt den Menschen immer näher. Der Wolf ist ein Jäger und er verhält sich so. Es liegt in seiner Natur, so wie die Angst vor dem bösen Wolf in der des Menschen liegt. Bisher hat der Wolf im Kampf ums Überleben aber immer noch den Kürzeren gezogen.