Laura Leun (zweite von links) und einige Mitstreiter bei der ersten Stuttgarter Plogging-Aktion am Fasandenhof. Foto: Ayerle

Plogging heißt ein Trend aus Schweden, bei dem Läufer nicht nur joggen, sondern nebenher auch Müll aufsammeln. In Stuttgart hat sich nun eine Gruppe gegründet.

Stuttgart - Die erste Schwierigkeit: Ecken mit vielen Zigarettenstummeln. Dort sind Laura Leun und ihr Laufpartner Stefan sehr beschäftigt. „Da kommt man nicht gleich zum Laufen“, sagt die zierliche 28-Jährige mit den langen, blonden Haaren. Leun hat die erste Plogging-Gruppe Stuttgarts gegründet.

Plogging, das ist ein Trend aus Schweden, der sich aus dem schwedischen Wort „plocka“ (sammeln, suchen, aufheben) und „Jogging“ zusammen setzt. Läufer ziehen dabei mit Gummihandschuhe an und einer Mülltüte los. Auf ihrer Joggingstrecke sammeln sie herumliegenden Müll ein. Am Ende entsorgen sie den ordnungsgemäß.

Sportlich fit werden und dabei Gutes für Natur und Umwelt tun

Bei ihrer ersten Aktion am Fasanenhof in Kooperation mit dem Fitnessstudio Crossfit Assault Stuttgart waren sie zehn Läufer. Das hat Leun motiviert, für den Weltumwelttag hatte sie eine Aktion im Kurpark in Bad Cannstatt angesetzt. Dort haben sie auch gleich einiges zu tun: Fast um jede Sitzbank sammeln sich Häufchen mit Kippen, auf der Wiese liegen überall Scherben oder Deckel von Bierflaschen verteilt. Beim Laufen halten sie permanent Ausschau. „Plogging trainiert das Auge für den Müll“, sagt Leuns Laufpartner Stefan. Stoppen, bücken, anlaufen – das trainiert auch die Muskeln.

Leun ist letztes Jahr nach Stuttgart gezogen. Schon an ihren vorherigen Wohnorten – zuletzt hat sie in der Schweiz gelebt – störte es sie, dass an öffentlichen Orten viel zu viel Dreck liegt. Da hat es ganz gut gepasst, dass Leun bei einem Klimaschutzprogramm der Weltbank angenommen wurde. Für das Global Youth Climate Network (GYCN) muss sie an ihrem Wohnort kleine Umweltschutz-Maßnahmen in ihren Alltag integrieren. „Deshalb habe ich die Plogging-Gruppe gegründet.“

Die Plogger erregen viel Aufmerksamkeit – die Gruppe sucht aber noch Mitläufer

Seine Hinterlassenschaften selbst weg zu räumen, scheint für viele nicht selbstverständlich zu sein. Je lauer der Sommerabend desto verheerender sehen Stuttgarts Plätze am Morgen danach aus – in anderen Städten ist es nicht besser. Die städtischen Reinigungskräfte kommen mit dem Entsorgen oft kaum hinterher. Die Stadt Stuttgart will das Thema angehen, der Gemeinderat hat für das Projekt „Sauberes Stuttgart“ im jüngsten Doppelhaushalt zusätzlich Geld freigegeben. Künftig werden damit jährlich knapp 30 Millionen Euro in die Reinigung der Stadt investiert. Bisher kommt die Stadt mit Reinigen kaum hinterher.

Viele Bürger werden daher selbst aktiv: In Fellbach hat kürzlich ein neunjähriger Junge eine Plogging-Aktion gestartet, eine Bürgerin aus Leinfelden-Echterdingen hat eine große Müllsammelaktion initiiert und im Stuttgarter Süden haben einige Nachbarn die Gruppe „Weniger Müll in Stuttgart“ gegründet.

Leonhard Fromm aus Schorndorf ist seit einigen Jahren bei dem Verein Geo Cleaner, dessen Motto es ist „Just pick it up – one piece a day“ („Nimm es einfach mit – ein Stück am Tag.“). Auf dem Weg zur Arbeit sammle er immer Müll ein. „Das fühlt sich mächtig an, weil ich mich nicht den Verschandlern ausgeliefert fühle“, sagt der Schorndorfer. Oft ziehe er auch in der Freizeit mit seiner Frau oder Jugendlichen los, um Müll zu sammeln. „Das ist auch ein gutes Konditionstraining für Bauch, Beine, Po und stärkt den Teamgeist“, sagt Fromm.

Plogging gleicht einer Sisyphos-Arbeit. Fertig sind die Müllsammler ja nie. Aber sie wollen ja vor allem auch ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen. Es ist eine Mischung aus ökologischer Aktion, Sport und medienwirksamem Lifestyle. Laut einiger Fitness-Websites gilt Plogging international als der nächste ganz große Trendsport. Natürlich sind die Plogger auch in dem sozialen Netzwerk Instagram groß unterwegs: Ob in El Salvador, Schweden, oder USA – überall auf der Welt posieren Jogger stolz mit ihren selbstbefüllten Müllsäcken.

Auch in vielen deutschen Städten haben sich schon Plogging-Gruppen gegründet. Größere Aktionen gab es kürzlich in Berlin oder Hamburg. In Köln gibt es eine Gruppe – Plogging Cologne – die über 250 Mitglieder hat. In einigen Städten dürfen Plogger sogar ihre Müllsäcke neben die öffentlichen Eimer stellen, die städtische Abfallentsorgung nimmt sie dann mit.

Die joggenden Müllsammler ernten viele Blicke im Kurpark. „Das ist cool“, sagt eine Rollstuhlfahrerin im Vorbeifahren. Ein paar hundert Meter beobachten zwei Bier trinkende Männer das Duo von einer Parkbank aus. Erst lachen die beiden, der eine schiebt dann aber doch leicht beschämt sein Müllhäufchen vor sich zusammen, ordnet seine Bierflaschen. Dass sie Aufmerksamkeit erregen, ist Leun schon aufgefallen: „Viele finden es gut, aber mitmachen ist halt doch etwas anderes.“ Deshalb sucht sie natürlich noch Mitstreiter.