Überquellende Mülltonnen gehören im Sommer zu Ärger vieler Bürger zum Stadtbild dazu. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Je lauer der Sommerabend desto verheerender sehen Stuttgarts schönste Plätze am nächsten Morgen aus. Die Reinigungskräfte kommen kaum hinterher. Noch während sie die letzten Müllsäcke beseitigen, reißen die nächsten Grillfreudigen schon ihre Verpackungen auf.

Stuttgart - Alles sollte schöner werden. Doch neben mehr Aufenthaltsqualität gibt’s auch mehr Frust am Feuersee. 2016 ist das Südufer umgestaltet worden. Installiert wurden entlang der Rotebühlstraße eine schicke Freitreppe und ein Podest, um aufs Wasser zu schauen.

Doch nicht nur Erholungssuchende tummeln sich seither. Auch das Partyvolk hat den Feuersee für sich entdeckt, und Nachbarn ärgern sich über Musik und Gegröle bis tief in die Nacht. Der Müll ist Dagmar Wernecke-Möller, einer Anwohnerin, ein Dorn im Auge. Besonders an Wochenenden türme sich der Unrat. Sie hat an einem Sonntag Bilder gemacht: Einweggrills, massig Flaschen, Dosen und Pizzaschachteln am Boden und im Wasser.

Auch Katharina Lutsch, die Mesnerin und Hausmeisterin in der Johanneskirche, fürchtet die lauen Sommernächte. Gerade am Sonntagmorgen, pünktlich zum Gottesdienst, schaue der Kirchplatz, der über vier Bänke, aber nur eine Abfalltonne verfüge, extra unappetitlich aus. Der Pfarrer Heinrich Schmid, dessen Schlafzimmer zum See zeigt, spricht von „unerträglichem“ Lärm. Dass sich die Menschen am Feuersee aufhalten wollen, verstehe er, „aber manchmal ist der Schlafbedarf so groß, dass man sich wünscht, dass es regnet“.

Katastrophale Situation auf den beliebten Plätzen

Die Krux: je hübscher der Platz, desto beliebter ist er als Treffpunkt und desto schlimmer der Dreck. Ein Rundgang an einem Sonntagmorgen offenbart das verheerende Ausmaß. Die Männer von Ramadan Obeidy, dem Objektleiter der von der Stadt beauftragten Reinigungsfirma Mars, sind um 8.20 Uhr gerade am Grillplatz im Unteren Schlossgarten durch – nach zwei Stunden. Die Ladefläche ihres Minilasters ist übervoll mit Säcken, Verpackungen von Grills und Grillgut, Flaschen. Und die ersten drei Grillwilligen sind schon da und haben bereits Boxen mit Fleisch ausgepackt. „Samstag und Sonntag ist es bei schönem Wetter besonders schlimm“, sagt Ramadan Obeidy, und sein Angestellter schiebt ein Wort hinterher: „Katastrophe!“

Katastrophal ist die Situation auch auf dem Schlossplatz, den ein anderes Mars-Team säubert. Um 7 Uhr hat es angefangen, um 8.45 Uhr ist es längst nicht fertig, hat aber bereits ganze Arbeit geleistet. Schätzungsweise 30 blaue Säcke warten darauf, aufgeladen zu werden. Und danach geht’s für die Putzkolonne weiter zum nächsten Platz. „Eklig“, murmelt ein Jogger und wendet sich rasch von einer Pfütze mit Erbrochenem ab.

Zum gegenseitigen Respekt gehört, seinen Müll mitzunehmen

Akademiegarten, Karlsplatz – wohin man schaut, findet man Zigarettenschachteln, Plastik und vor allem Flaschen und Scherben. Ein Problem nicht nur in der Innenstadt. Martin Thronberens, ein Stadtsprecher, nennt einige Hotspots: Ostendplatz, Santiago-de-Chile-Platz in Degerloch, Grillplatz Egerlseer Heide, Max-Eyth-See, Hans-Scharoun-Platz in Zuffenhausen. Die Liste ist lang. „Mit den Temperaturen steigt auch das Müllaufkommen“, sagt er – und ermahnt die Bürger, Rücksicht zu nehmen. Dazu gehöre auch, Abfall nicht liegen zu lassen.

Auch die Stadt geht das Thema an. Der Gemeinderat hat für das Projekt „Sauberes Stuttgart“ im jüngsten Doppelhaushalt zusätzlich Geld freigegeben. Künftig werden damit jährlich knapp 30 Millionen Euro in die Reinigung der Stadt investiert. Von Herbst an werden neue Müll-Streifen ausschwärmen und Knöllchen an Schmutzfinken ausgeben. Die Arbeit wird ihnen sicher nicht ausgehen. In Stuttgart sind 2016 insgesamt 6206 Tonnen Straßenkehricht angefallen. 2006 waren es noch 5142 Tonnen gewesen, und dies, obwohl im gleichen Zeitraum die Zahl der Abfalleimer von knapp unter 4000 auf knapp über 5000 gestiegen ist. Für „Sauberes Stuttgart“ sollen nun abermals neue dazukommen.

Die Feuersee-Anwohner befürchten indes, dass sich ihr Problem mit dem Müll noch weiter zuspitzen könnte, denn Ost- und Westufer werden bis Herbst 2019 ebenfalls umgestaltet. Die Sorgen will der Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle Nachbarn ihnen indes nehmen. Diese Ufer würden weitaus behutsamer und kleinteiliger umgebaut. Er verspricht zudem: „Wir haben diesen Hotspot im Blick.“