Einigung mit Brüssel: Läuft alles gut kommt die Pkw-Maut bereits nach der Bundestagswahl 2017. Foto: dpa

Nach monatelangem Streit mit der EU-Kommission soll die Pkw-Maut grünes Licht aus Brüssel bekommen: Auf Druck von Brüssel muss Bundesverkehrsminister Dobrindt die Preise für die Kurzzeitvignetten aber reduzieren.

Brüssel/Berlin - Erst war die Maut ein Wahlkampfschlager der CSU bei der Bundestagswahl im Herbst 2013, dann schaffte sie es gegen Widerstände der CDU und der SPD in den Koalitionsvertrag. Im Sommer 2015 dann standen die Gesetze zur Änderung der Kfz-Steuer und zur Erhebung der Infrastrukturabgabe im Gesetzesblatt: Je nach Hubraum, Motor und Verbrauch sollten für die Benutzung von deutschen Autobahnen und Bundessstraßen Gebühren in Höhe von bis zu 130 Euro im Jahr fällig werden. Inländische Autohalter sollten das Geld über die Kfz-Steuer zurück bekommen, so dass unter dem Strich nur ausländische Halter zur Kasse gebeten worden wären. Doch bald lag die umstrittene Abgabe auf Eis. Der Grund: Die EU-Kommission hat mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Das Gesetz aus dem Bundesverkehrsministerium diskriminiere alle anderen EU-Bürger und verstoße damit gegen EU-Recht.

Wie kam jetzt doch noch die Wende?
Obwohl die Kommission im September förmlich Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht hat, hat sie stets betont, gesprächsbereit zu sein. Hinter den Kulissen riss der Kontakt zwischen Ministerium und Kommission nie ab. Anfang November kam plötzlich auch öffentlich Bewegung in die Sache. Pünktlich zum CSU-Parteitag konnte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stolz verkünden, dass es Aussicht auf eine Einigung mit der Kommission gebe. Wie in Brüssel zu hören ist, hat sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingeschaltet, sein Kabinettschef Martin Selmayr, ein Deutscher, hat sich intensiv für eine Lösung eingesetzt. Ein Top-Jurist aus der Kommission, der gebürtige Pforzheimer Clemens Ladenburger, hat die Verhandlungen aus rechtlicher Sicht betreut. Gesucht wurde nach einem gesichtswahrenden Kompromiss für Dobrindt.
Was beanstandet die Kommission bei der deutschen Pkw-Maut?
Anstoß erregten die beiden Maut-Gesetze, weil sie es gezielt auf das Geld von Autofahrern mit ausländischem Kennzeichen abgesehen hatten. Nur pro forma sollten inländische Fahrzeughalter die Gebühren zahlen, sie aber über die Kfz-Steuer zurück bekommen. Darin erkannten die Beamten der Kommission eine Diskriminierung von allen anderen EU-Bürgern. Im Detail ging es um die Kurzzeitvignetten für zehn Tage, die Dobrindt EU-Ausländern anbieten wollte. Sein Gesetz sieht hier Sätze von fünf bis 15 Euro vor. Die Kommission hält dies für zu hoch. Maximal 2,50 Euro für die günstigste Vignette seien angemessen.
Gibt es vergleichbare Fälle in der EU?
Ja, die Kommission hat vor einigen Jahren mit Slowenien über die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr gestritten. Seinerzeit waren auch die Sätze der Kurzzeitvignetten umstritten. Die Sache wurde ebenfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof getragen. Damals wurden Leitlinien für die Preise der Kurzzeitvignetten entwickelt. Angemessen sei, wenn die Kurzzeitvignette im Verhältnis höchstens sieben Mal so teuer ist wie die Jahresgebühr. Dobrindts Mautgesetze sahen Kosten für die Jahresvignette von bis zu 130 Euro vor, das sind umgerechnet 35 Cent am Tag. Die Kurzzeitvignette für zehn Tage sollte aber bis zu 15 Euro kosten. Dies wäre mit 1,50 Euro am Tag ein Vielfaches des Richtwertes gewesen.
Was stört die Kommission an der Verrechnung über die Kfz-Steuer?
Die Koppelung einer neuen Pkw-Maut mit der entsprechend abgesenkten Kfz-Steuer war der Kommission zu plump. Sie bestand darauf, dass eine Umweltkomponente eingeführt wurde. Der Rabatt sollte sich mehr danach richten, ob es sich um ein umweltfreundliches Fahrzeug mit vergleichsweise geringem Kraftstoffverbrauch handelt.
Wann wird die Maut scharf gestellt?
Vermutlich nicht vor 2018. Wenn die Einigung besiegelt ist, soll eine Ausschreibung erfolgen. Auch private Unternehmen sollen bei der Erhebung der Maut und dem Vertrieb der Vignetten beteiligt werden. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Ausschreibung schwierig werden könnte. Es gibt noch keine Rechtssicherheit. Die Klage der Kommission soll zunächst nur auf Eis gelegt werden. Erst wenn Bundestag und Bundesrat die Mautgesetze geändert haben, soll die Klage endgültig zurückgezogen werden. Denkbar ist zudem, dass sich die SPD quer stellt und die Gesetzgebung im bald anbrechenden Bundestagswahlkampf hinaus zögert. Zudem droht Österreich bereits, gegen den Kompromiss juristisch vorzugehen.
Rechnet sich die Maut?
Hier sind größte Fragezeichen angebracht. Ursprünglich sollte die Abgabe 500 Millionen Euro im Jahr einspielen. Dieses Geld würde auch nur ausreichen, um 50 Kilometer neue Straßen zu bauen. Doch nach dem Kompromiss mit Brüssel dürfte noch weniger Geld eingespielt werden. Der Kompromiss sieht nämlich vor, dass die Preise für die Kurzzeitvignetten drastisch sinken. Nach jetzigem Stand könnten sie halbiert werden. Auch die inländischen Autofahrer sollen weniger Zahlen als bei der bisherigen Kalkulation. Schon bei der bisherigen Planung waren die Verwaltungskosten enorm: 3,7 Milliarden Euro wollte Dobrindt jedes Jahr einnehmen, drei Milliarden Euro sollten den deutschen Autofahrern über die Kfz-Steuer zurück gegeben werden. 200 Millionen Euro waren als Verfahrenskosten eingeplant.