Dämpfte gestern die Hoffnungen auf eine schnelle Umsetzung der Pkw-Maut: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Foto: dpa

Der Verkehrsminister muss erst noch nachweisen, dass er sein Versprechen halten kann, keinen deutschen Autofahrer mehr zu belasten.

Berlin - Die Ankündigung war am Donnerstag abend ein echter Coup: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ließ wissen, dass seine Verhandlungen mit der EU-Kommission über die von ihm vorgesehene Pkw-Maut unverhofft zu einem Erfolg geführt haben. Eine Verständigung mit Brüssel steht unmittelbar bevor – ein erheblicher Prestigeerfolg. Einen Tag später folgte zwar keineswegs der politische Katzenjammer, aber es gibt doch Hinweise, dass die Euphorie in Kreisen der CSU doch ein wenig vorschnell gewesen sein könnte. Vieles bleibt nämlich weiter unklar, vor allem das Wichtigste: Wann die Maut denn nun eigentlich kommt. Das ist der aktuelle Sachstand:

Wann komm die Maut?

Da hat der Minister selbst gestern Erwartungen gedämpft, die Maut könne, ein Wahlversprechen der CSU aus dem Jahre 2013 einlösend, noch in dieser Legislaturperiode Realität werden. Der Starttermin werde gewiss erst „in der nächsten Wahlperiode“ liegen, ließ er wissen. Nach der Einigung mit der EU-Kommission müssten die Änderungen, die in Folge des Kompromisses am Gesetz vorgenommen werden sollen, im Bundestag umgesetzt werden. Zudem seien Ausschreibungen notwendig, die auch Monate in Anspruch nehmen. Die Bemerkung Dobrindts ist von großer Relevanz. Sie heißt im Klartext: Die Umsetzung der Maut steht in den Sternen, denn sie liegt in der Hand des nächsten Bundestages, dessen Zusammensetzung vom Ausgang der Bundestagswahlen im Herbst 2017 abhängt. Neue Mehrheiten könnten das Projekt auch ganz beerdigen.

Worüber reden Dobrindt und die EU?

Zur Erinnerung: Dobrindts Gesetzentwurf sieht eine Pkw-Maut für inländische und ausländische Autobesitzer vor. Für Inländer gilt sie auf Autobahnen und Bundesstraßen, für Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen. Im Schnitt kostet die nach Hubraum und Schadstoffausstoß gestaffelte Maut 74 Euro im Jahr. Es handelt sich um eine elektronische, also keine Klebe-Vignette, kontrolliert wird durch elektronischen Abgleich der Autokennzeichen. Der Clou: Die inländischen Autofahrer erhalten den Maut-Betrag über eine niedrigere Kfz-Steuer zurück – und zwar 1:1, also den genauen Betrag. Das große Versprechen: Keine Mehrbelastungen für die deutschen Autofahrer. Da es diesen Ausgleich aber nicht für die ausländischen Mautzahler gibt, hatte die EU-Kommission darin eine Diskriminierung gesehen, ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und im September vor dem Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht.

Dobrindt musste Brüssel also entgegenkommen. Das ist nun offenbar auf zwei Weisen geschehen: Zum einen akzeptiert der Minister EU-Forderungen, günstigere Kurzzeit-Tarigfe für Pendler und Touristen vorzusehen. Es kursieren unterschiedliche Zahlen, wonach die billigste Vignette (10 Tage Gültigkeit) für sie zwischen 2,50 Euro und 5 Euro liegen soll. Das ist unproblematisch. Kritisch wird es an anderer Stelle.

Was ist Dobrindts größtes Problem?

Die 1:1-Kompensation für deutsche Autofahrer hält die EU für eine klare Diskriminierung. Diesen Anschein muss der Minister abschwächen. Er muss dafür hinnehmen, dass eben nicht jeder Autofahrer auf Heller und Pfennig für die Maut entschädigt wird. Das klingt verdächtig nach Wortbruch. Also braucht es eine Argumentation, die das ein wenig freundlicher umschreibt. Dobrindts Variante geht so: Er wolle „das Verursacher-Prinzip stärken“ und eine „stärkere ökologische Komponente“ einbauen. Dann ließe sich der Ausgleich als Maßnahme aktiver Umweltpolitik ausgeben – und das ermöglichte auch der EU eine gewisse Gesichtswahrung. Deshalb – das ist die gute Nachricht – könnten Fahrer von besonders umweltfreundlichen Autos nun sogar über die Kfz-Steuer mehr zurückbekommen als sie für die Maut aufgewendet haben. Klingt gut. Der Haken: Müssen dafür die Fahrer von „Stinkern“ einen Malus hinnehmen? Das wäre konsequent. Aber es wäre auch ein Bruch des Versprechens. Dobrindt sagt: „Es bleibt dabei – es gibt keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer.“ Wenn er das hinbekommen will, müsste er wohl die Kfz-Steuer insgesamt so erheblich absenken, dass selbst der „Stinker“-Malus unter dem Strich zu keiner Mehrbelastung führt. Dann aber wird die Maut für den Staat womöglich zu einem Riesenaufwand ohne nennenswerte Einnahmen.

Das politische Umfeld

Aus diesem Dilemma kann Dobrindt nicht entkommen. Die Kanzlerin ließ gestern schon ausrichten, Mehrbelastungen werde sie nicht mittragen. Und die SPD zögerte nicht, Dobrindt ebenfalls daran zu messen. Und so steht es auch im Koalitionsvertrag. Grund zum Feiern hat der Minister also eigentlich nicht.