Die Branche brauche kein „Draufsatteln“ beim Klimaschutz, sagt der scheidende VDA-Chef Bernhard Mattes. Er räumt Ende 2019 seinen Posten. Nachfolgerin wird die ehemalige Energie-Managerin und CDU-Politikerin Hildegard Müller. Foto: dpa/Sven Braun

Die neue EU-Kommissionspräsidentin hat den Kampf gegen die Erd-Erhitzung zur Priorität ihrer Arbeit erklärt und plant eine deutliche Verschärfung der europäischen Klimaziele. Die deutsche Autoindustrie hält das für verwegen. Sie hat bereits jetzt an vielen Fronten zu kämpfen.

Berlin - Wenige Tage nach Beginn der Weltklimakonferenz in Madrid hat die deutsche Automobilindustrie deutlich gemacht, dass sie sich gegen die geplante Verschärfung der EU-weiten Klimaziele stemmen wird. Die Unternehmen brauchten langfristige Planungssicherheit und kein erneutes „Draufsatteln“, sagte der scheidende Chef des Branchenverbandes VDA, Bernhard Mattes, in Berlin.

Er zeichnete ein eher düsteres Bild über den Zustand der Branche, die mit schrumpfenden Märkten zu kämpfen hat und vor technologischen Umbrüchen steht. Mattes sagte: „Wir dürfen nicht noch höhere Klimaziele formulieren.“ Es sei schon sehr anspruchsvoll, den Treibhausgasausstoß in Europa bis 2030 wie geplant um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Eine Verschärfung des Ziels würde die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts gefährden.

Brüssel will „Green Deal“

Mit diesen Aussagen bringt sich die wichtigste deutsche Industriebranche gegen ein zentrales Projekt der neuen EU-Kommission unter Leitung von Ursula von der Leyen in Stellung. Die CDU-Politikerin hat den Kampf gegen die Erderwärmung zur Priorität ihrer Arbeit erklärt und dies mit dem Schlagwort „Green Deal“ versehen. Erst am Montag hatte von der Leyen zum Auftakt der Klimakonferenz in Madrid ihre Absicht bekräftigt, Europa zum weltweiten Vorreiter für Klimaschutz zu machen. Dazu gehört, das europäische CO2-Sparziel für 2030 auf mindestens 50 Prozent, möglichst sogar auf 55 Prozent anzuheben. Zudem soll sich die EU verbindlich dazu verpflichten, bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Kommissionspräsidentin und ihr Team wollen zugleich sicherstellen, dass die verstärkten Klimaschutzanstrengungen zum Treiber für mehr Wirtschaftswachstum, Jobs und Innovationen werden.

Wissenschaftler sind der Auffassung, dass alle Staaten, die große Mengen CO2 ausstoßen, ihre Bemühungen im Klimaschutz deutlich verstärken müssen. Im Pariser Klimaabkommen hatte sich die Staatengemeinschaft 2015 das Ziel gegeben, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür müsste der Treibhausgasausstoß aber viel schneller reduziert werden als bisher vorgesehen.

Branche unter Druck

VDA-Präsident Mattes sagte, dass die Automobilbranche unter erheblichem Druck stehe. In diesem Jahr dürften weltweit 80,1 Millionen Pkw verkauft werden – gegenüber dem Vorjahr entspreche das einem Minus von fünf Prozent. 2020 sei mit einem weiteren Rückgang der Verkäufe auf 78,9 Millionen Fahrzeuge zu rechnen. Insbesondere in China und den USA seien die Verkaufszahlen rückläufig.

Die deutschen Hersteller würden 2019 rund 16 Millionen Pkw bauen, sagte Mattes. Unter günstigen Umständen könnte diese Marke auch 2020 erreicht werden. Angesichts der rückläufigen Autokonjunktur, der Unsicherheiten im Welthandel sowie Entwicklungen wie E-Mobilität und Digitalisierung befinde sich die Branche in einem fundamentalen Strukturwandel, der sich auch in sinkenden Beschäftigtenzahlen niederschlage.