Der Landesflughafen sollte mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht nur mit der S-Bahn, sondern auch mit dem ICE erreichbar sein. Daraus wird nichts. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Bahn kürzt das Fernverkehrsangebot am künftigen Flughafenbahnhof von Stuttgart 21 radikal. Grüne, CDU und SPD im Landtag protestieren.

Stuttgart - Der beim Projekt Stuttgart 21 geplante Fernbahnhof am Landesflughafen wird vom Fernverkehr sehr viel weniger genutzt werden als geplant. Und ein ICE wird dort nie halten. Ein Sprecher des Geschäftsbereichs Fernverkehr der Deutschen Bahn AG bestätigte unserer Zeitung am Montag, dass im Tiefbahnhof am Airport der Halt von werktäglich nur drei Fernverkehrszügen nach Ulm und München und von ebenfalls drei Zügen aus der Gegenrichtung vorgesehen sei.

Statt der nun sechs Züge war 2009, als der Finanzierungsvertrag für Stuttgart 21 geschlossen wurde, pro Werktag der Halt von 100 Fernverkehrszügen vorgesehen gewesen. In der Anlage 3.2a zu dem Vertrag steht unter „Vorgesehenes Verkehrsangebot im Bereich Filderbahnhof/Flughafen“ die Zahl von 64 Hochgeschwindigkeitszügen und 36 Zügen des ergänzenden Fernverkehrs. „Es ist richtig, dass eine höhere Frequenz geplant war“, so der DB-Sprecher.

Die Bahn warb mit dem ICE-Halt

In Hochglanzbroschüren hatte die DB AG zum Bahnprojekt Stuttgart–Ulm behauptet, der Flughafen erhalte „einen direkten Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz“. Und weiter: „Die Verknüpfung mit dem ICE-Netz ist dabei sowohl aus Sicht der Bahn wie auch der Luftverkehrsunternehmen eine sinnvolle verkehrspolitische Entscheidung.“ Diese Darstellung hat das Landesverkehrsministerium am Montag korrigiert. Ein ICE-Halt am Flughafen sei von der Bahn nicht vorgesehen. Der Eindruck eines ICE-Halts sei zwar erweckt worden, Hochgeschwindigkeitsverkehr sei aber nicht gleichzusetzen mit ICE-Zügen.

Der Flughafen soll mit der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 voraussichtlich im Jahr 2024 den Schienenanschluss erhalten. Fahrpläne müssen weit im Voraus konzipiert werden. Dabei koordiniert DB Netz die Planungen des Landes und die von DB Fernverkehr. Das Land will auf der Neubaustrecke einen Interregio-Stundentakt (IRE) zwischen Stuttgart und Ulm fahren lassen. Man sehe 18 IRE-Züge je Richtung vor, alle sollen am Landesflughafen und im neuen Bahnhof in Merklingen Station machen, so das Ministerium.

Bahn: Übergeordnete Zwänge

Die Fahrzeit vom Stuttgarter zum Ulmer Hauptbahnhof solle für die IRE bei unter 45 Minuten liegen, schreibt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf eine Anfrage des Ulmer SPD-Landtagsabgeordneten Martin Rivoir. Außerdem solle wie bisher eine IRE-Linie im Stundentakt auf der alten Filstalstrecke in 60 Minuten nach Ulm fahren. Die Fahrzeit der von der Bahn betriebenen Fernzüge liegt bei 28 Minuten, vom Flughafen nach Ulm sind es im IC noch rund 20 Minuten.

Die eklatante Reduzierung des Fernverkehrsangebots begründet der Bahn-Sprecher mit übergeordneten Zwängen. Es fehlten die 2009 unterstellten Infrastrukturausbauten auf den Achsen Rhein-Main und Rhein-Neckar, die zehn Minuten Fahrzeitverkürzung und eine Kapazitätserhöhung brächten. „Das schlägt sich auf alle weiteren Angebotskonzepte nieder“, so der Sprecher. Die konkreten Ausbauvorhaben nannte er nicht. Wann sie kämen, wisse die Bahn selbst nicht.

CDU: Pläne inakzeptabel

Die Pressestelle des Flughafens teilte auf Anfrage mit, man gehe von einer „bedarfsgerechten Anbindung des Flughafens an den Fernverkehr“ aus. Flughafen-Geschäftsführer Walter Schoefer erinnerte im SWR daran, dass der Airport 359 Millionen Euro für S 21 zahle. Man erwarte, dass die Bahn Zugverbindungen in Qualität und Quantität anbiete, wie sie dem Verkehrskonzept 2009 zugrunde gelegen hätten.

Martin Rivoir sagte, die Pläne der Bahn seien „ein unglaublichen Vorgang, ein Skandal“. Die CDU-Landtagsfraktion nennt die Pläne „inakzeptabel“, die Bahn müsse sich an Zusagen halten. Die Pläne seien eine Zumutung, so der Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz: „Mindestens alle zwei Stunden muss ein IC am Flughafenbahnhof halten. So war es im Stresstest unterstellt und zur Volksabstimmung versprochen.“ Die Bahn müsse sich vertragstreu verhalten, betont Schwarz. Das Verkehrsministerium weist darauf hin, dass DB Fernverkehr keine Vertragspartei sei.

Zur Frage der Einklagbarkeit von Zugverbindungen wolle man „angesichts des offenen Rechtsstreits mit der DB um die Mehrkosten von Stuttgart 21“ keine Stellung nehmen. S 21 wird statt 6,5 bis zu 7,9 Milliarden Euro kosten. Die Anbindung des Flughafens an die ICE-Strecke und an die Gäubahn könnte bis zu 990 Millionen Euro erreichen. Auch aus diesem Grund will DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla im Januar über eine Neuplanung mit nur einem Halt an der A 8 sprechen. Man gehe davon aus, dass das Thema Fernverkehr am Flughafen bei der nächsten Sitzung des S-21-Lenkungskreises angesprochen werde, heißt es im Verkehrsministerium.