Elke aus dem Moore im Gespräch mit StN-Titelautor Nikolai B. Forstbauer Foto: Steffen Schmid

Näher dran an herausragenden Persönlichkeiten der Kunst: Dies ermöglicht unsere Gesprächsreihe „Über Kunst“. Jetzt stellte Elke aus dem Moore, neue Direktorin der Akademie Schloss Solitude, ihre Pläne für die Künstler-Fördereinrichtung vor.

Stuttgart - Ein bewusstes Pathos liegt in ihren Worten. Immer wieder wird Elke aus dem Moore im „Über Kunst“-Gespräch mit Nikolai B. Forstbauer, Titelautor unserer Zeitung, auf zwei Punkte zurückkommen. Darauf, dass sie die Zeit gekommen sieht, die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft neu zu definieren. Und darauf, dass künstlerisches Arbeiten seine ganze Wirkung erst entfalten kann, wenn es ergebnisoffen stattfindet, ohne Druck – in einer Situation, die den freien Austausch zwischen Schaffenden mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ermöglicht. So wie auf der Akademie Schloss Solitude. Seit 100 Tagen leitet Elke aus dem Moore die Künstlerfördereinrichtung des Landes.

Aus dem Moore, 1965 geboren, studierte Literatur und Kunstwissenschaft in Zürich, Osnabrück und Bochum. Auf dem „Über Kunst“-Podium im Vortragssaal der Staatsgalerie Stuttgart sagt sie: „Ich konnte mir nicht vorstellen, in dem für mich damals ungeheuer hermetischen Gebäude einer Institution arbeiten zu können.“ Und fügt hinzu: „Ich habe das abgelehnt.“

Dann aber lockte sie 1999 die Möglichkeit, als Kuratorin an der Shedhalle in Zürich zu arbeiten. „Meine Einstellung hat sich damals grundlegend geändert“, sagt Elke aus dem Moore. „Ich weiß, dass gerade die Kunst-Institutionen heute auch die Säulen der Demokratie sind.“

Jeder Künstler ist auch Botschafter seines Landes

Ihre Fragen hat sie seither in die Institutionen hinein getragen – 2003 bis 2006 als künstlerische Leiterin des Künstlerhauses Stuttgart, zuletzt zehn Jahre als Leiterin der Abteilung Kunst im Institut für Auslandsbeziehungen. Bei der Neuausrichtung der Akademie Schloss Solitude kehrt sie nun zu ihren Wurzeln zurück. Mit neuen Ideen?

„Schloss Solitude“, sagt aus dem Moore, „ist eine Künstlerresidenz, nennt sich aber Akademie“. „Es ist eine Bildungseinrichtung jenseits der formalen Systeme .“

Schon beim Institut für Auslandsbeziehungen bemühte aus dem Moore sich, kuratierend auf diese Institution einzuwirken. Der Haltung, die sich in einem institutionellen Programm ausdrückt, misst sie die größte Bedeutung bei – „gerade dann, wenn man als deutsche Institution ins Ausland wirkt, oder, wie es jetzt für mich der Fall ist, als deutsche Institution Gastgeber ist.“

Jeder Künstler, jede Künstlerin, sagt Elke aus dem Moore, sei, so sehr wie jeder Tourist, immer auch ein Botschafter des Landes, dem er oder sie entstammt. Kommt der Botschafter aus Deutschland, trägt er aus ihrer Sicht immer die Bürde dieses Landes.

Der Blick einer Deutschen, die ihre Herkunft als Privileg empfindet, hat sich für Elke aus dem Moore durch ihre Arbeit umgekehrt. Bereits als Leiterin des Künstlerhauses Stuttgart engagierte sie sich international, versuchte brasilianische und afrikanische Perspektiven in ihr Programm aufzunehmen. „Um Exotismus“, sagt sie, „ging es dabei nie – sondern darum, künstlerische Praktiken und gesellschaftliche Auseinandersetzungen vorzustellen, die den gegenwärtigen Kontext bereichern konnten.“

Das Fragen ist Programm jeder Kunsteinrichtung

Und welche Konsequenzen ergeben sich für Elke aus dem Moore, wenn sie das Fragen grundsätzlich als zentrales Programm für Kunsteinrichtungen ansieht? „Heute“, sagt sie, nicht zuletzt mit Blick auf die städtischen und staatlichen Kunstmuseen, „kann ein kritischer Kunstort nicht mehr einfach nur ein Schutzraum für subkulturelle oder institutionskritische Perspektiven sein, sondern er muss die Türen so weit öffnen, dass er die Polaritäten, die inzwischen in unserer Gesellschaft entstanden sind, auch zusammen führen kann.“

Ein hoher Anspruch – aus dem Moore sieht die Akademie Solitude denn auch in der Mitverantwortung, wenn es etwa um die Zukunft des Kunstgebäudes in Stuttgart geht. Das Festival „Soft Power Palace“, das Ende Oktober dort startet, wird wesentlich von der Akademie Solitude erarbeitet.

Elke aus dem Moore ist Netzwerkerin, vertraut auf die Tragfähigkeit der Netzwerke. Auf Schloss Solitude hat sie „ideale Anschlüsse“ gefunden. Wird es konkrete Änderungen geben? Am Prinzip eines unabhängigen Fachgremiums zur Stipendiatenauswahl will sie festhalten. Dass dieses Gremium von nur einer Person bestimmt wird, möchte sie aber ändern. Und: Die Beziehungen zu Osteuropa will die Nachfolgerim von Solitude-Gründungsdirektor Jean-Baptiste Joly weiter stärken. „In Zeiten, in denen in vielen Ländern rechtspopulistische Regierungen agieren“, sagt sie, „kommt ihnen eine besondere Rolle zu.“ Zugleich möchte sie die bislang eurozentrische Ausrichtung der Akademie weiten, Schwerpunkte auf Kooperationen mit Brasilien, vor allem aber Namibia setzen.

Der Kolonialismus im Denken muss aufhören

Der Hintergrund: Auf die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, auch dem Thema der Raubkunst, legt Elke aus dem Moore besonderen Wert. „Ich habe zehn Jahre lang sehr stark in afrikanischen Zusammenhängen gearbeitet“, sagt sie. „Wir können es uns nicht mehr leisten, zu diesem Teil unserer Geschichte zu schweigen.“

Aus dem Moore spricht von den Kriegen, die Deutschland in Afrika führte, den Genoziden, die es dort verübte, meint aber auch Strukturen, die nach dem Ende des Kolonialismus im Denken fortdauern: „Ich habe bis heute nicht begriffen, wie es kommt, das Menschen glauben, andere Menschen beherrschen zu können, etwas besser zu wissen als sie.“

Die „Residenzerfahrung“, welche die Akademie Schloss Solitude ihren Stipendiaten ermöglicht, ist für Elke aus dem Moore ideale Voraussetzung dafür, diese Haltung zu überwinden: „Sie macht uns zu starken Persönlichkeiten, die in der Lage sind, ihren Blickwinkel zu ändern.“ Gerade auf Schloss Solitude ist für sie ein Miteinander möglich, bei dem die harte Konkurrenz, die im künstlerischen Bereich herrscht, aufgehoben wird. Geschuldet sei dies der Ergebnisoffenheit, die die Künstler vom Druck der Ökonomie befreit. Eben diese Ergebnisoffenheit begründet für sie den Erfolg der „Wimmelforschung“ der Akademie in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch GmbH in Renningen. Ein Projekt, das aus dem 2002 gestarteten Akademie -Programm Art, Science and Business hervorging.

Am Ende demonstriert Elke aus dem Moore noch einmal Selbstbewusstsein. „Unser nächster Schritt“, sagt sie, „muss sein, Kunst und Gesellschaft näher zueinander zu bringen, die transformierende Rolle der Kunst stärker auszuspielen.“