Gelingt ihnen der Weg aus der Haushaltskrise? Finanzminister Christian Lindner, Vizekanzler Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz im Bundestag. Foto: dpa/Christoph Soeder

Werden SPD, Grüne und FDP im kommenden Jahr die Schuldenbremse einhalten? Droht die Koalition zu scheitern? Was würde dann passieren? Wir stellen fünf Szenarien vor, wie es in der großen Haushaltskrise weitergehen könnte.

Die Bundesregierung hat den Nachtragshaushalt für 2023 beschlossen. Damit hat die Ampel die erste Hürde nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Umgang mit Sondervermögen und der Schuldenbremse genommen. Doch für den Etat des Jahres 2024 sind die Herausforderungen größer. Wie kann die Koalition sie bewältigen? Droht sie zu zerbrechen? Das sind die fünf wichtigsten Szenarien – und die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten.

1. Die Ampel hält beim Etat 2024 die Schuldenbremse ein.

Für das Jahr 2023 hat die Regierung sich entschieden, die Schuldenbremse noch einmal auszusetzen – auch weil der Haushalt sonst wegen bereits getätigter Ausgaben definitiv verfassungswidrig wäre. Will die Ampel im Jahr 2024 die Schuldenbremse wieder einhalten, muss sie kräftig sparen. Die Ressorts – die schon bei der ursprünglichen Aufstellung des Haushalts Streichungen nur widerwillig akzeptiert haben – müssten umfangreich nach Einsparpotenzialen suchen. An vielen Stellen, die genannt werden, ist für das kommende Jahr wenig bis nichts zu holen: Die Kindergrundsicherung zum Beispiel, deren Stopp die Union fordert, soll erst 2025 starten.

Die Wirtschaftsförderung dürfte über die kommenden Jahre schmaler ausfallen als bislang geplant. Hier wollte Vizekanzler Robert Habeck viel aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzieren. Jetzt stehen 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung, weil die Richter in Karlsruhe die Umwidmung von Corona-Hilfsmitteln als verfassungswidrig eingestuft haben. Habeck will retten, was zu retten ist. Gerade im Fall der Rückkehr zur Schuldenbremse dürfte es auch eine Debatte über Steuererhöhungen geben. Die FDP lehnt das kategorisch ab. Die SPD hingegen will besonders Reiche perspektivisch ohnehin stärker an der Bewältigung der Krisenkosten beteiligen.

2. Die Ampel setzt die Schuldenbremse noch einmal aus.

SPD-Chefin Saskia Esken hat bereits die Aussetzung der Schuldenbremse auch für das Jahr 2024 gefordert, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ebenso. Unterstützung gibt es von den Gewerkschaften. „Mit dem andauernden Krieg in der Ukraine, dem erheblichen Preisauftrieb sowie anhaltend hohen Energiekosten ist nach wie vor eine Notlage gegeben, deshalb sollte es meines Erachtens verfassungsrechtlich auch möglich sein, die Schuldenbremse für 2024 auszusetzen“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke unserer Redaktion. Das Aussetzen der Schuldenbremse würde für die Ampel fürs Erste beim Haushalt vieles leichter machen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner müsste aber eine Rebellion seiner Partei fürchten. Dazu käme das Risiko, vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern. Die Haushaltsnotlage muss gut begründet sein.

3. Die Ampel scheitert – und es gibt eine große Koalition.

Der Trick, nicht genutzte Corona-Hilfsgelder zu solchen für die Wirtschaftsförderung umzuwandeln, war verfassungswidrig. Dass die Ampel versucht hat, diesen Weg zu gehen, hat insbesondere damit zu tun, dass die Wünsche von SPD, Grünen und FDP kaum zusammenzubringen sind. SPD und Grüne wollten Investitionen, die FDP eine Rückkehr zur Schuldenbremse und ein Nein zu Steuererhöhungen.

Jetzt muss Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen neuen Weg finden, das alles zusammenzubringen – oder alle Beteiligten müssen sagen, an welchen Stellen sie nachgeben. Die Ampel hält bislang zusammen, dass jede einzelne Partei durch ein Ende der Regierung sehr viel zu verlieren hat. Klar ist aber auch: Es gäbe im Fall eines Scheiterns alternative Mehrheiten im Bundestag. Eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP wäre kaum denkbar – streiten in der Ampel doch vor allem FDP und Grüne. Kanzler Scholz könnte aber versuchen, mit der Union eine Regierung für den Rest der Legislaturperiode zu bilden.

4. Es gibt eine Neuwahl.

CSU-Chef Markus Söder – der zuvor in der Flüchtlingsdebatte selbst eine große Koalition ins Spiel gebracht hat – schlägt jetzt Neuwahlen parallel zur Europawahl am 9. Juni kommenden Jahres vor. Die Ampelregierung solle die Vertrauensfrage stellen, „nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk“, sagte er. Für die Union wäre eine Neuwahl attraktiver, als im Fall eines Scheiterns der Ampel als der kleinere Partner in eine Koalition einzusteigen. Söder lässt auch keinen Zweifel daran, wie aus seiner Sicht nach einer Wahl regiert werden könnte: in einer großen Koalition – unter Führung der Union.

5. Reform der Schuldenbremse

Unabhängig davon, ob im kommenden Jahr die Schuldenbremse eingehalten wird und ob die Ampelkoalition hält, wird eine Debatte weitergehen: die, ob es eine Reform der Schuldenbremse braucht. Viele Ökonomen sehen die Notwendigkeit großer Investitionen, wenn die Wirtschaft den Weg zur Klimaneutralität erfolgreich schaffen soll. Nötig sei eine Reform der Schuldenbremse, die mehr Investitionen möglich mache. Die Unionsspitze ist dagegen – notwendig wäre für eine Reform aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Aus den Reihen der Unionsministerpräsidenten gibt es aber Befürworter einer Reform. Und auch CDU-Chef Friedrich Merz wird sich fragen müssen: Mit welcher Schuldenbremse würde er als Kanzler regieren wollen?