Der Entlassungsantrag der Opposition scheitert, dennoch ist Integrationsministerin Bilkay Öney angezählt. Foto: dpa

Integrationsministerin Bilkay Öney steht in der Kritik – mal wieder. Am Donnerstag überstand sie einen Entlassungsantrag der CDU. Gleichwohl holte sie sich einen Rüffel von Ministerpräsident Kretschmann.

Stuttgart - Unerträglich ist das neue Modewort im politischen Gefecht. Unerträglich findet es die CDU, von Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) in die Nähe von Rassisten gerückt zu werden. Als genauso unerträglich erachtet das grün-rote Lager den am Donnerstag eingereichten Antrag auf Entlassung der ersten türkischstämmigen Ministerin des Landes. Unerträgliches Sommertheater? Oder hat Öney mit ihren Äußerungen tatsächlich die rote Linie politischen Anstands überschritten?

Die Hauptbeteiligte kam am Donnerstag gar nicht zu Wort. Andere redeten und urteilten über sie. Allen voran Peter Hauk. Der Fraktionschef der CDU hatte den Entlassungsantrag am Morgen vor der Parlamentssitzung eingereicht. Wegen „integrationsfeindlicher Amtsführung“ solle Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Ministerin entlassen.

Den etwas verquasten Titel des Antrags erklärte Hauk wie folgt: Wenn Öney – wie im türkischen Internetportal „Avrupa-Postasi“ zu lesen war – die CDU als rassistisch bezeichnet, treibe sie damit einen „Keil in die Gesellschaft“. Sämtliche integrationspolitische Leistungen – Hauk meinte natürlich vor allem die der CDU – würden ins Gegenteil verkehrt. „So sind Sie nicht mehr tragbar, Frau Öney“, eröffnete er die von Beginn an emotional aufgeladene Parlamentsdebatte.

Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke von der FDP, der sich dem Entlassungsantrag anschloss, erinnerte daran, dass die CDU „immer noch die größte Partei im Land ist“. Sie zu beleidigen führe zu der Frage: „Wer unterminiert in diesem Land Integration? Die CDU oder die Ministerin?“

Winfried Kretschmann: „Was ich an ihr schätze, ist ihre unverstellte Sprache“

Genüsslich listete Rülke Öneys gesammelte Verfehlungen auf: Die Äußerungen über den tiefen Staat, den es angeblich auch in Deutschland gebe. Die Sache mit den türkischen Jugendlichen, die fünfmal so viel fernsähen wie ihre deutschen Altersgenossen. Nicht zuletzt der Umstand, dass sich die in der Türkei geborene 43-Jährige in erster Linie um ihre Landsleute kümmere, nicht aber um alle Migranten.

Mit versteinerter Miene verfolgte die Gescholtene die Attacken auf sie. Bis der Ministerpräsident ans Rednerpult schritt – und sich der Kritik der Opposition im Kern anschloss. Was die Integrationsministerin im Einzelnen gesagt habe, wisse er nicht, aber der Tenor des Gesprächs sei „durchaus kritikwürdig“. Kretschmann machte klar: „Selbstverständlich ist die CDU keine rassistische Partei. Dieser Vorwurf ist abwegig, wer auch immer ihn erhebt.“ Das saß. Öneys geduckte Körperhaltung verriet: Das läuft gerade nicht gut für mich.

Dann reichte der Regierungschef ihr freilich doch noch die Hand. „Was ich an ihr schätze, ist ihre unverstellte Sprache“, so Kretschmann. Das werde ihr zwar „ab und zu zum Verhängnis“. Aber ihre Ansage an die Migranten (der Fernseh-Vergleich), sich nicht immer nur als Opfer zu fühlen, sei absolut richtig gewesen. Was Kretschmann nicht sagte, in seinen Worten aber mitschwang: Weitere Fettnäpfchen sollte Öney besser auslassen.

CDU Geheimdienstmethoden unterstellt

Private Äußerungen seien aber privat, meinte der Regierungschef zu Öneys Erklärungsversuch, die Aussagen nicht offiziell getätigt zu haben; stattdessen seien private Äußerungen von ihr unerlaubterweise mitgeschnitten worden. „Wenn das jedes Mal herauskäme und zu einem Rücktritt führen würde, blieben in diesem Haus nur wenige Heilige übrig. Ich würde sicher nicht dazu gehören.“ Die Hintergründe des „dubiosen Mitschnitts“ (Kretschmann) blieben aber auch am Donnerstag unaufgeklärt.

Öneys Partei, die SPD, war derweil auf einer ganz anderen Schiene unterwegs. Fraktionschef Claus Schmiedel unterstellte der CDU Geheimdienstmethoden. Wie „verdeckte Ermittler“ würden sie Öney „hinterherspüren“, ihr Treiben auf Schritt und Tritt verfolgen wie bei keinem anderen Regierungsmitglied. Wie die CDU das fand? Nicht weniger als „unerträglich“.