Fernwärme unter dem Leibfried’schen Garten im Stuttgarter Rosensteinpark Foto: Archiv 7aktuell.de/Simon Adomat

Für die Heizwende gilt Fernwärme als eine nachhaltige Alternative. Damit die begehrten Wärmenetze zum Klimaschutz beitragen, fehlt jedoch noch etwas Entscheidendes.

Ein Anschluss ans Fernwärmenetz kommt in der aktuellen Heizungsdebatte mitunter verheißungsvoll daher: Wohl dem, der die Möglichkeit hat. Fernwärme wird nicht im Keller der Verbraucher produziert, sondern an einem zentralen Ort und von dort via Leitungen zu den Haushalten transportiert. Das viel diskutierte Gebäudeenergiegesetz sieht vor, dass mit Fernwärme versorgte Haushalte die Vorgaben für mehr Klimaschutz einhalten. Doch ist Fernwärme immer nachhaltiger?

Für 2022 ist festzuhalten: Fast 75 Prozent der Fernwärme speisten sich aus fossilen Quellen, wie Alexander Burkhardt sagt. Er ist Experte am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, dass die Fernwärmequellen bis 2030 zu mindestens 50 Prozent erneuerbare Energien sind.

Regionale Unterschiede bei Fernwärme in Deutschland

Laut dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts heizen 18 Prozent der Haushalte in Deutschland zurzeit mit Fernwärme. Dabei gibt es regionale Unterschiede: Im Osten der Republik sind rund 30 Prozent an ein solches Netz angeschlossen, im Westen sind es knapp zehn Prozent. Der Fachverband Arbeitsgemeinschaft Fernwärme, kurz AGFW, hält für Deutschland eine Verdreifachung bis 2050 für möglich. „Es sollen mittelfristig jährlich mindestens 100 000 Gebäude neu an Wärmenetze angeschlossen werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung beim Fernwärme-Gipfel der beiden Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Bauen am 12. Juni mit Vertretern von Kommunen, Stadtwerken und Verbraucherschützern.

Das sei eine „Wahnsinnsherausforderung, die man nicht unterschätzen sollte“, sagt Alexander Burkhardt von der Uni Stuttgart. Denn abgesehen von den Kosten müsse letztlich alles rasant und gleichzeitig geschehen: Die Quellen der Fernwärme müssten transformiert werden, und die Kapazitäten der Netze müssten stark ausgebaut werden, so Burkhardt. „Die Frage wird sein, ob das schnell genug gelingt.“

Fernwärme ein wichtiges Puzzlestück für Wärmewende

Dennoch, da ist sich der Experte sicher, braucht es die Fernwärme zwingend – als einen Mosaikstein neben anderen. „Fernwärme hat Vorteile“, sagt Burkhardt. Gerade für Innenstädte mit vielen Wohnungen auf wenig Raum. Denn wird eine Fernwärmequelle auf Erneuerbare umgestellt, greift dies für etliche Verbraucher. „Man hat also grundsätzlich die Möglichkeit, sehr schnell zu dekarbonisieren.“ Die Zukunftstechnologien werden hier in erster Linie Großwärmepumpen, Solar- sowie Geothermieanlagen sein – je nach regionalen Gegebenheiten.

Wo Fernwärmeanschlüsse möglich sein werden, soll die kommunale Wärmeplanung klären. Gemeint ist damit ein Plan, der den Menschen vor Ort Klarheit verschafft, ob sie mit einem Anschluss an ein Wärmenetz rechnen können. Baden-Württemberg hat die 104 Großen Kreisstädte und Stadtkreise aufgefordert, eine entsprechende Planung für 2040 bis Ende 2023 vorzulegen. Der Bund will nun Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern dazu bis 2028 verpflichten.

Ein Anschluss an ein Wärmenetz ist laut Burkhardt „sicherlich in den allermeisten Situationen die richtige Entscheidung“. Allerdings können Verbraucher aktuell – anders als beim Strom – nicht zwischen verschiedenen Versorgern wählen. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband fordert „Reformen des Monopolsektors Fernwärme“.