Der Bedarf an internationalen Vorbereitungsklassen ist durch die Ukraine-Krise noch einmal gestiegen. Nun sucht das Freiwilligenzentrum der Caritas junge Leute, die ihr freiwilliges soziales Jahr in solch einer Klasse machen. Eine FSJ-Kraft berichtet.
In Stuttgart die Welt erleben? Die Ausschreibung hatte Jinan El-Moudawar sofort angesprochen. „Ich arbeite gerne mit Kindern zusammen“, sagt die 21-Jährige. Seit September macht Jinan ihr freiwilliges soziales Jahr (FSJ) in einer internationalen Vorbereitungsklasse (IVK) an der Stuttgarter Wilhelmsschule in Untertürkheim – nicht als individuelle Schulbegleiterin, sondern als zusätzliche Kraft für die ganze Klasse.
Sie hilft Grundschülern zwischen sechs und elf Jahren beim Deutschlernen. Kindern aus Rumänien, Albanien, Bosnien, Syrien, Afghanistan – und seit einigen Wochen auch aus der Ukraine. Natürlich sei das aufgrund der Sprachbarriere auch mal herausfordernd. Aber es funktioniere unterm Strich erstaunlich gut, einen Draht aufzubauen. Für die Kinder sei am wichtigsten zu merken, dass man für sie da sei, hat sie festgestellt.
Auf einmal sind nicht mehr 14, sondern 24 Kinder in der Klasse
Besonders schön sei zum Beispiel die Sache mit einem Zehnjährigen gewesen, der sich ihr vor einigen Monaten anvertraute. Vormittags war er in der IVK, nachmittags sollte er in der Regelklasse. Doch dort verstehe er nichts, er wolle da nicht hin. Er habe Angst, gestand er ihr. Sie habe angeboten, ihn zu begleiten – und so traute er sich dann doch. Es habe funktioniert: „Er hat Anschluss gefunden“, erzählt sie bei einem Treffen im Freiwilligenzentrum Caleidoskop der Caritas. Das Caleidoskop koordiniert die FSJ-Kräfte in den Vorbereitungsklassen.
Nun geht es an die Besetzung der Stellen fürs nächste Schuljahr. Und dafür werden noch junge Bewerberinnen und Bewerber gesucht. Dieses Projekt sei ihnen „besonders wichtig“, sagt Ursula Claß, Mitarbeiterin im Caleidoskop und für die Freiwilligendienste mitzuständig. Zehn FSJ-Stellen, die sich auf zehn Schulen verteilen, finanziert die Stadt, was Ursula Claß „gigantisch“ findet. Der Bedarf, das räumt sie ein, sei aber natürlich deutlich höher – nicht zuletzt aufgrund der Kinder aus der Ukraine.
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Auch in Jinans Klasse ist die Schülerzahl sprunghaft gestiegen: Auf einen Schlag seien zehn ukrainische Kinder dazu gekommen, so dass es nicht mehr 14, sondern 24 Mädchen und Jungen in der Klasse sind. In Stuttgart gibt es inzwischen 55 Vorbereitungsklassen an 38 Standorten. 989 Schülerinnen und Schüler besuchen Stand 1. Mai eine IVK.
Ein Lob von der Verwandtschaft
Die Arbeit als FSJ in einer IVK sei anspruchsvoll, sagt Claß, aber man werde darauf vorbereitet – und sei ja nicht alleine, sondern unterstütze die jeweilige Lehrkraft und die Schulsozialarbeiter. Bewerben könnten sich junge Leute von 16 Jahren an. Sie sollten gefestigt in Persönlichkeit und Entwicklung sein und kulturell offen, wie Christine Schulze sagt, die ebenfalls für das Projekt zuständig ist. Auch sollten sie sichere Deutschkenntnisse haben. Oft interessierten sich Jugendliche, die selbst einen Migrationshintergrund haben.
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Wie Jinan. Sie ist in Norddeutschland geboren – ihr Vater stammt aus dem Libanon, ihre Mutter aus Tansania. Ihre Swahili-Kenntnisse konnte sie im FSJ zwar nicht einbringen, aber dafür ihre übrigen Sprachkenntnisse: Englisch, Französisch und Arabisch. Letzteres habe sich sogar deutlich verbessert. Da habe sie Lob von der Verwandtschaft bekommen, erzählt sie schmunzelnd. Auf Rumänisch könne sie jetzt bis zehn zählen, auf Albanisch „Guten Morgen“ sagen.
Am häufigsten bemerken Freunde und Bekannte aber etwas anderes: „Ich bin viel selbstbewusster, selbstständiger und auch mutiger geworden.“ Für die berufliche Orientierung, davon ist sie überzeugt, sei ein FSJ „perfekt“.
Mehr Informationen zu den Freiwilligendiensten und auch anderen FSJ-Stellen finden sich hier: https://www.caleidoskop-stuttgart.de/freiwilligendienste/