Wie geht es weiter? Flüchtlinge warten an der österreich-ungarischen Grenze. Foto: AP

Tausende Flüchtlinge drängen nach Westen. Das stellt die Staaten in Südosteuropa vor schwierige Entscheidungen. Österreich sperrt eine Autobahn am Grenzübergang zu Ungarn. Indes wird in der CSU der Widerstand gegen Merkels Kurs immer lauter.

Budapest/Wien/Berlin - Der starke Andrang von Flüchtlingen stellt die Staaten im Südosten Europas vor immer größere Herausforderungen. Österreich sperrte am Freitagmorgen die Autobahn an einem Grenzübergang zu Ungarn. In der Nacht hatten dort bei Nickelsdorf wieder mehr als 2000 Flüchtlinge die Grenze überquert. Der Zugverkehr zwischen Österreich und Ungarn bleibt vorerst ausgesetzt. In Deutschland stellte sich die CSU offen gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wertete die Entscheidung, Flüchtlinge aus Ungarn unregistriert ins Land zu lassen, als „beispiellose politische Fehlleistung“. „Wir haben die Kontrolle verloren“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Zehntausende Menschen würden sich unkontrolliert durch Deutschland und Europa bewegen. Man könne nur unzuverlässig abschätzen, wie viele IS-Kämpfer oder „Schläfer“ darunter seien. Bayerns Finanzminister Markus Söder sprach von einer Überforderung Deutschlands.

Merkel: „Können Kosten tragen“

Merkel bekräftigte dagegen ihre Einschätzung, dass Deutschland die Aufgabe bewältigen könne. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit gut, sagte die CDU-Vorsitzende der „Rheinischen Post“. „Die Kosten für die Aufnahme der Flüchtlinge können wir tragen.“

Über die Balkanroute drängen immer mehr Flüchtlinge nach Westeuropa. Auch südlich von Ungarn sind Tausende Menschen unterwegs in Richtung Norden. In Serbien wurden allein am Donnerstag 5540 Menschen registriert, wie Regierungschef Aleksandar Vucic berichtete - ein neuer Tagesrekord. Bisher waren im Schnitt nicht mehr als 2000 Migranten aus Mazedonien in Serbien angekommen.

Die Menschen stammen vor allem aus Syrien und haben Westeuropa und vor allem Deutschland als Ziel. Serbien ist ein wichtiger Punkt auf der sogenannten Balkanroute. Sie führt von der Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland und Skandinavien.

Ungarn drückt bei Grenzzaun aufs Tempo

Ungarn hat insgesamt 3800 Soldaten an die Grenze zu Serbien abkommandiert, die dort den Bau des 175 Kilometer langen Grenzzauns beschleunigen sollen. Täglich müssten weitere zehn Kilometer fertig werden, sagte der neue Verteidigungsminister Istvan Simicsko am Freitag im ungarischen Privatsender TV2. „An der Grenze brauchen wir eine verstärkte Verteidigung, der Zaun reicht nicht“, betonte der Minister. Ob die Armee die Grenzschutzpolizei verstärken darf, soll das Parlament am 21. September entscheiden.

Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums kamen seit Montag ungefähr 16.000 Flüchtlinge bei Nickelsdorf über die ungarische Grenze. Sie werden dort erstversorgt und unter anderem mit Bussen weiter Richtung Wien gebracht. Auch der Zugverkehr zwischen Österreich und Ungarn soll am Wochenende wegen „massiver Überlastung“ weiter eingestellt bleiben, wie die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) mitteilten.

Die starke Zuwanderung über Ungarn und Österreich stellt auch München vor neue Herausforderungen. Die meisten der aus Ungarn kommenden Migranten waren zuletzt nach Deutschland weitergereist. Seit vergangenem Samstag trafen in der bayerischen Landeshauptstadt München rund 40.000 Menschen ein.

Hunderte auf Fähren nach Schweden

In Norddeutschland hatten sich nach der vorübergehenden Schließung der Grenze durch Dänemark Hunderte Flüchtlinge mit Fähren auf den Weg nach Schweden gemacht. Im südschwedischen Malmö registrierte die Ausländerbehörde seit Dienstag 220 Asylbewerber am Tag. Der Bahnverkehr in der deutsch-dänischen Grenzregion bleibt beeinträchtigt, obwohl die Grenze wieder passierbar ist.

Wegen der aktuellen Lage sagten die Sicherheitsbehörden des Bundes ihren gemeinsamen Herbstempfang ab. Das Bundesinnenministerium wies einen Bericht zurück, nach dem die Sicherheitsbehörden bereits 29 erwiesene Syrien-Kämpfer unter Asylbewerbern identifiziert haben. „Es gibt immer wieder Hinweise, dass unter den Flüchtlingen auch IS-Kämpfer sein könnten. Bislang hat sich aber kein solcher Anhaltspunkt konkret bestätigt“, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Eine deutliche Mehrheit der Bürger ist laut einer Umfrage mit der deutschen Flüchtlingspolitik einverstanden. So bezeichneten 66 Prozent der Befragten im ZDF-„Politbarometer“ die Entscheidung, Zehntausende Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen, als richtig. 29 Prozent sehen das nicht so, teilte der Sender am Freitag mit. 85 Prozent gehen davon aus, dass diese Entscheidung zur Folge hat, dass sich noch mehr Flüchtlinge Richtung Deutschland auf den Weg machen werden.