Die Anzeigen an der B 14 werden durch Blitzer unterstützt Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Europäische Kommission hat dem Land über den Bund eine Klage wegen der seit 2005 dauerhaft überschrittenen Feinstaubwerte in Stuttgart angedroht. Verkehrsminister Winfried Hermann und OB Fritz Kuhn (beide Grüne) kündigten am Montag an, die Grenzwerte bis 2021 einzuhalten.

Stuttgart - Die EU-Kommission hat am 26. November 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Grund ist die seit 2005 dauerhafte Überschreitung der Feinstaub- und der Stickoxid-Grenzwerte am Neckartor. Die Schadstoffe gelten als krebserregend. Der nächste Schritt im Verfahren wäre eine Klage der EU. Gewinnt sie diese, müsste das Land „pro Tag der Grenzwertüberschreitung wahrscheinlich mehrere Hunderttausend Euro bezahlen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann am Montag.

„Das Land müsste bezahlen, nicht die Stadt“, betonte Hermann bei einer Pressekonferenz. Das Land sei daher „gefordert“. Der Bund will am 27. Januar seine Stellungnahme bei der EU abgeben und die Klage verhindern. Die EU rügt, dass in Stuttgart „weder ein Zeitplan noch ein Stichtag für die Einhaltung des Grenzwerts angegeben“ sei. Das widerspreche den Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie.

Hermann, Stuttgarts OB Fritz Kuhn und Rudolf Uricher, Präsident der Abteilung Umwelt im Regierungspräsidium (RP), der RP-Chef Johannes Schmalzl (FDP) bei der Pressekonferenz vertrat, erläuterten, mit welchen zusätzlichen Maßnahmen sie den Feinstaub weiter begrenzen und die gesetzliche Marke von maximal 35 Überschreitungstagen pro Jahr (bezogen auf 50 Mikrogramm Partikel pro Kubikmeter Luft) einhalten wollen. Dazu soll es bis 2016 die dritte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart geben. Die zweite ist erst wenige Monate alt.

Verbesserungen gibt es, doch sie reichen nicht

Die Zahl der Tage mit Grenzwertüberschreitung hat seit 2005 sowohl beim Feinstaub als auch beim Stickstoffdioxid abgenommen. Gründe sind die Einführung der Umweltzone (fahren dürfen nur noch Autos mit grüner Plakette, bei Dieseln also mit Rußfilter) und das Lkw-Fahrverbot. Mit 64 Überschreitungstagen liegt das Neckartor beim Feinstaub aber dennoch meilenweit vom zulässigen Grenzwert (35 Tage pro Jahr) entfernt.

Das wird sich laut Hermann und Kuhn nicht schnell ändern. Beide streben die Einhaltung des Grenzwertes erst bis 2021 an. „Wir werden gegenüber der EU darlegen, dass wir auf einem guten Weg sind“, sagte Hermann. Man werde die Vorgaben in sechs Jahren erfüllen können, sagte Kuhn. Dazu müsse der Autoverkehr um 20 Prozent reduziert werden.

Die beiden Grünen-Politiker schlugen am Montag beim Thema Ge- und Verbote leise Töne an. „Wir machen Angebote und wollen keine Verbote aussprechen“, so der Minister. Sollte nach zwei bis drei Jahren erkennbar werden, dass sich keine Veränderung ergibt, werde man aber schärfere Maßnahmen ergreifen müssen.

Tempo 40 auf Steigungsstrecken soll schneller kommen

Als Neuerungen planen die beiden Grünen-Politiker, Tempo 40 auf Steigungsstrecken in der Stadt schneller einzuführen. Dazu solle der Gemeinderat im Doppelhaushalt 2016/2017 Geld zur Verfügung stellen, so Kuhn. Er will außerdem ab 2016 pro Jahr den Neukauf von 100 Taxen bezuschussen, wenn diese ganz oder teilweise mit Strom fahren. In der Stadt seien 700 Taxen zugelassen. Kuhn will außerdem, dass die Stadtwerke Heizungssanierungen in hoch belasteten Gebieten vorantreiben. Dazu sei Aufklärungsarbeit bei den Eigentümern nötig.

Wenn die Schadstoffbelastung in Stuttgart hoch ist, sollen künftig Pendler in der Region, aber auch „in Tübingen, Horb oder Heilbronn“ darüber informiert und zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs aufgefordert werden. In Stuttgart sollen Warnmeldungen abgesetzt werden, mit denen die Nutzer von Holzöfen gebeten werden, „jetzt bitte keinen Kamin mehr anzuheizen“, sagte Kuhn. Er appelliert weiter an das Land, seinen Mitarbeitern das Jobticket des Verkehrsverbunds (VVS) zu bezuschussen. Die Stadt hat durch einen monatlichen Zuschuss (mindestens zehn Euro vom Arbeitgeber lösen beim VVS zehn Prozent Rabatt aus) 4000 ihrer Beschäftigten zum Kauf eines Jahrestickets animiert.

„Belastete Luft verkürzt die Lebenszeit. Die Schaffung von sauberer Luft ist kein Anliegen von Bürokraten, sondern aller Menschen, dazu zählt eine Verhaltensänderung“, sagte Hermann. Autoabgase allein führten die Liste der Feinstaubquellen nicht mehr an, an erster Stelle stehe mit 30 Prozent der Abrieb von Reifen und Bremsbelägen. „Das Elektroauto wird daher nicht alle Probleme lösen“, so der Minister. Eine Initiative für eine Citymaut wolle er als einziger Verkehrsminister nicht erneut starten.

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