Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne, re.) und Vize Thomas Strobl (CDU) verkündeten am Mittwoch die Einigung auf Fahrverbote. Foto: dpa

Ohne Hardware-Nachrüstung ist ein Verbot im Jahr 2020 wahrscheinlich. Unklar ist, wie weitreichend die Ausnahmen für Autofahrer von Euro-4-Diesel geregelt werden.

Stuttgart - Die von der grün-schwarzen Landesregierung am Mittwoch verteilten Beruhigungspillen für Halter von Euro-5-Dieselfahrzeugen wirken nicht. „Es ist jetzt schon klar, dass nur mit einer Nachrüstung für Euro-5-Diesel die Einhaltung der Grenzwerte beim Stickstoffdioxid gesichert werden kann. Sonst sind die Fahrverbote 2020 fast unausweichlich“, sagt Carsten Beuß, der Hauptgeschäftsführer des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes im Land. Davon wären allein In Stuttgart 30 000 Fahrzeugbesitzer betroffen.

 

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) hatten am Mittwoch das Fahrverbot für von auswärts kommende Euro-4-Autos im gesamten Stadtgebiet Stuttgart zum 1. Januar 2019 verkündet. Die Stuttgarter selbst trifft es zum 1. April 2019. Damit reagiert die Politik auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zu den weit überhöhten Stickstoffdioxidwerten.

Entscheidung zu Euro 5 später

Über Euro-5-Diesel will die Regierung sich erst Mitte bis Ende 2019 klar werden. Also nach der für Ende Mai angesetzten Kommunalwahl. Kretschmann und Strobl mühten sich am Mittwoch in Zuversicht. Man erwarte, dass die Stickstoffdioxid-Belastung 2019 auf den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinke. Dabei blenden Kretschmann und Strobl ihnen vorliegende Erkenntnisse aus. Ein eigens in Auftrag gegebenes Gutachten sagt, dass mit dem Euro-4-Verbot im Jahr 2019 rund 60 Mikrogramm erreichbar seien – wenn das Verbot zum 1. Januar 2019 für alle gilt. Die dreimonatige Schonfrist für die Stuttgarter wird den Schnitt 2019 höher halten.

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„Vielleicht-Fahrverbote für Euro-5-Diesel ab 2020 sind keine klaren Vorgaben, sondern ein Aufschieben von Entscheidungen“, so Beuß. Die Regierung verschenke erneut Zeit. Firmen, die an Nachrüstsystemen arbeiteten, und Autofahrer würden verunsichert. Genauso wie Autohändler, auf deren Höfen viele Euro-5-Diesel stünden. Um Euro-5-Diesel wirklich sauber zu bekommen, braucht es eine Abgasreinigung mit Harnstoff („Ad Blue“). Der nachträgliche Einbau ist möglich, aber nicht billig. Die Angaben schwanken zwischen 1500 und 3000 Euro.

Nachrüstung nicht am Markt

Bisher ist kein System am Markt, weil Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Einklang mit der Autoindustrie die Hardware-Nachrüstung ablehnt. Würde Scheuer einen 180-Grad-Dreh vollführen, könnte das Kraftfahrt-Bundesamt die Systeme zulassen. Derart nachgerüstete Euro-5-Fahrzeuge könnten dann auf Euro 6 umgeschlüsselt werden. Bei einer Weigerung der Hersteller könnten Garantien erlöschen. „Damit zu drohen wäre wirkungslos, die Fahrzeuge sind 2019 an die vier Jahre alt“, so Beuß. Nur wenige Hersteller gäben eine so lange Garantie.

Die Landesregierung will die Nachrüstung befördern und im Bundesrat darüber abstimmen lassen. „Aber erst Ende September“, sagt Beuß, der Tempo anmahnt. Bei Bussen gebe es eine Regelung zur Nachrüstung. Die Förderrichtlinie schreibe dabei eine Schadstoffreduzierung um 85 Prozent vor. „Das wäre die Blaupause für Autos“, so der Hauptgeschäftsführer.

Ausnahmen sind unklar

Vom Euro-4-Fahrverbot soll es eine ganze Reihe von Ausnahmen geben. Neu ist eine nicht befristete Übergangsregelung für das Handwerk. Das soll dafür eine „Selbstverpflichtung zur Flottenerneuerung“ abgeben. Im Papier der Landesregierung findet sich kein Hinweis, wie diese Selbstverpflichtung aussieht und wie sie überwacht werden soll. Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold fordert, dass Investitionszyklen von „mindestens acht Jahren in jedem Fall berücksichtigt werden“. Die Stuttgarter FDP-Abgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr sieht in der fehlenden Festlegung ein hohes Gefährdungspotenzial für die Handwerker. Die Betriebe bräuchten eine „schnelle, alltagstaugliche Ausgestaltung von Ausnahmeregelungen“.

Auch im Stuttgarter Rathaus wartet man auf Details. Letztlich müssen städtische Beschäftigte, wie bisher bei der Plakettenregelung, auf Antrag über Ausnahmen vom Fahrverbot entscheiden. Man werde sich äußern, wenn der fertige Entwurf zum Luftreinhalteplan vorliege, teilte OB Fritz Kuhn (Grüne) am Donnerstag auf Anfrage mit. Man wolle alles dafür tun, um ein Verbot von Euro-5-Dieseln überflüssig zu machen.