Um die Luft in Stuttgart sauberer zu bekommen sind Fahrverbote laut Gutachten unerlässlich. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das neue Wirkungsgutachten für den Luftreinhalteplan Stuttgart prognostiziert eine Punktlandung beim Grenzwert im Jahr 2020. Dafür müsste aber am Ende dieses Jahres eine Bedingung erfüllt sein.

Stuttgart - Ohne ein Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge bis einschließlich der Abgasnorm Euro 5 kann der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid in der Landeshauptstadt nicht eingehalten werden. Das weist das neue, vom Regierungspräsidium Stuttgart in Auftrag gegebene Wirkungsgutachten für den neuen Luftreinhalteplan aus. Er soll vor den Sommerferien öffentlich ausgelegt werden.

Der auch für Sanktionen des Europäischen Gerichtshofs entscheidende Wert lag an der Messstelle am Neckartor im Jahresmittel 2017 bei genau 72,98 Mikrogramm. Die gesetzlich geforderten 40 Mikrogramm sind laut Gutachten erreichbar. Einen wesentlichen Hebel dafür bilden die vom Bundesverwaltungsgericht für zulässig erklärten Fahrverbote vor allem für ältere Dieselfahrzeuge. Im Gesamtwirkungsgutachten, das am Donnerstag in Teilen im Landtag kursierte, heißt es, dass ein Fahrverbot für Dieselautos bis einschließlich Euro 4 und Benziner bis Euro 2 ab dem 1. Januar 2019 zu einer Reduzierung von fünf Mikrogramm Stickstoffdioxid führen werde. Ein vom Gericht ebenfalls als zulässig erkanntes Fahrverbot für alle Diesel mit der Abgasnorm Euro 5 (in Stuttgart 29 400 Fahrzeuge) ab dem 1. September 2019 würde weitere acht Mikrogramm Absenkung bringen. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bestätigte diese Werte auf Anfrage.

CDU kämpft um Euro-5-Diesel

Entschieden ist über die Fahrverbote noch nicht. In der Regierungskoalition scheint sich aber auch bei der CDU die Einsicht durchzusetzen, das Euro-4-Diesel nicht mehr haltbar sind. „Unser Ziel ist, dass Euro-5-Diesel nicht verboten werden. Dazu müssen die Autohersteller sowohl bei der Software- als auch bei der Hardwarenachrüstung etwas tun. Sie dürfen sich nicht davonstehlen“, sagt die CDU-Verkehrspolitikerin Nicole Razavi. Man müsse alle Möglichkeiten zur Luftreinhaltung nutzen. An den Herstellern perlte dieser Appell ab. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zeigt kein Interesse. Auf seine Genehmigungshilfe ist das Land in Sachen Nachrüstung angewiesen.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) betonte am Donnerstag bei einer Veranstaltung des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS), dass saubere Luft und nicht Fahrverbote Ziel der Regierung sei. Dazu beteilige sich das Land mit 42 Millionen Euro an der zum 1. April 2019 vorgesehenen VVS-Tarifreform. Sie vereinfacht das System von 52 auf fünf Zonen, viele Nutzer können sparen, laut Stuttgart OB Fritz Kuhn (Grüne) bis zu 40 Prozent. Hermann hofft auf zehn Prozent mehr Fahrgäste.

Stickoxidwerte sinken beständig

Das Wirkungsgutachten weist der Tarifreform, einer neuen Pendelbuslinie zwischen Bad Cannstatt und der Stuttgarter City sowie weiteren aus dem Umland nach Stuttgart Expressbuslinien ein Minderungspotenzial von fünf Mikrogramm zu.

Insgesamt schlägt das federführende Verkehrsministerium im Luftreinhalteplan ein Maßnahmenpaket vor, das samt den Fahrverboten eine Absenkung der Stickstoffdioxidwerte um 25 Mikrogramm bewirken soll. Damit wäre 2020 eine Punktlandung beim Grenzwert möglich – wenn die Werte am Neckartor bis Ende dieses Jahrs bei 65 Mikrogramm stehen. 2017 sanken sie erheblich. „Wir hatten im vergangenen Jahr einen Modernisierungsschub mit neuen Fahrzeugen, der einmalig ist in der Republik“, so Hermann. Der Stickstoffdioxidwert sank innerhalb von zwölf Monaten um 8,63 auf 72,98 Mikrogramm. Und er sinkt weiter. Die Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) veröffentlicht inzwischen monatlich die Mittelwerte der zurückliegenden zwölf Monate. Ende Mai wurden 68,64 Mikrogramm registriert.