Die Südwest-CDU demonstriert Geschlossenheit: 95,4 Prozent stimmen für Eisenmann Foto: dpa

Mit Kultusministerin Susanne Eisenmann will die CDU 2021 wieder an die Spitze der Regierung in Baden-Württemberg zurückkehren. Ihre Partei müsse noch Hausaufgaben machen, sagt die frisch gekürte Spitzenkandidatin.

Heilbronn - Für Thomas Strobl ist es ein schwieriger Tag. Ausgerechnet in seiner Heimatstadt, wo er vor Jahrzehnten in der Jungen Union (JU) seine politische Arbeit begonnen hat, muss er die Hoffnung begraben, jemals Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden. Bei ihrem Sonderparteitag am Samstag hat die Südwest-CDU besiegelt, was ihm einflussreiche Parteifreunde und die Landtagsfraktion in den vergangenen Monaten deutlich gemacht haben: dass sie ihm, dem CDU-Landesvorsitzenden, nicht mehr zutrauen, die CDU wieder zur stärksten Kraft im Land zu machen. Mit 95,4 Prozent wählen die Delegierten am Samstag die rührige Kultusministerin Susanne Eisenmann zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021.

„Erst das Land, dann die Partei, dann die Person“, sagte Strobl vor den rund 300 Delegierten, nachdem er zunächst Bilanz über seine Arbeit als Innenminister gezogen hatte Für ihn gelte seit jeher, was der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel einst als Richtschnur ausgegeben habe. Dann schlägt er – wie nach der Europa- und Kommunalwahl angekündigt – Eisenmann als Spitzenkandidatin vor und bittet um Unterstützung für die Frau, mit der er seit JU-Zeiten freundschaftlich verbunden war, die er 2016 zum Unmut der CDU-Landtagsfraktion ins Kabinett geholt hat und die nun an ihm vorbeizieht. Sein Appell: „Beschäftigen wir uns so wenig wie möglich mit uns selbst.“

Für jeden etwas

Die Delegierten danken es ihm mit viel Beifall. Sie hoffen, dass die monatelangen internen Auseinandersetzungen nun beendet sind. Viele sind erleichtert, dass Strobl der Partei eine weitere Kampfabstimmung erspart hat. Denn die Wunden, die frühere Mitgliederbefragungen geschlagen haben, sind bis heute nicht ganz verheilt. 2004 hatte die Mehrheit Günther Oettinger der damaligen Kultusministerin Annette Schavan als Nachfolger für Erwin Teufel vorgezogen, 2014 unterlag der vom Oettinger-Lager unterstützte Landeschef Strobl bei der Abstimmung über die Spitzenkandidatur 2016 dem damaligen Landtagspräsidenten Guido Wolf. Bei der Wahl stürzte die CDU um 12 Punkte auf 27 Prozent ab.

Ein solches Desaster soll Susanne Eisenmann bei der nächsten Wahl voraussichtlich im Frühjahr 2021 verhindern. Nach ihrer 35-minütigen Bewerbungsrede springen die Delegierten auf und klatschen fast drei Minuten. Die 54-Jährige, die das politische Handwerk unter anderem als Büroleiterin von Oettinger gelernt hat, hat für jeden etwas im Gepäck. Sie lobt die Arbeit der CDU-Landtagsabgeordneten und der CDU-Minister, verspricht Eltern die freie Wahl zwischen Halb- und Ganztagsschule und stichelt gegen die von Grün-Rot 2012 eingeführte Gemeinschaftsschule – „Wettbewerb ist besser als Einheitsbrei“.

Seitenhiebe gegen die Grünen

Sie erklärt, dass sie in Baden-Württemberg kein Stadt-Land-Gefälle zulasse – für sie gebe es keine Schwarzwaldtäler, die man zuwachsen lassen könne, wie der einstige SPD-Wirtschaftsminister Nils Schmid meinte. Und auch keine „Pampa“ – ein Seitenhieb gegen den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der vor einigen Monaten davon sprach, junge Flüchtlinge, die sich nicht an die Regeln hielten, in abgelegene Regionen zu schicken.

Die Herausforderin spart aber auch nicht mit Kritik an ihrer eigenen Partei – in Land und Bund. Die habe zu lange geglaubt, sie wisse, was die Bürger wollten. Und bei der Auseinandersetzung mit dem Youtuber Rezo völlig versagt. Die Reaktion der Bundes-CDU auf das Video, in dem die Klimapolitik von CDU und SPD angeprangert wurde, „grenzt für mich an Arbeitsverweigerung“. Die CDU müsse ihre Kommunikation vor allem in den sozialen Medien verbessern.

Die große Attacke gegen den Regierungspartner überlässt Eisenmann Generalsekretär Manuel Hagel. Die Grünen seien keine „bürgerliche Partei“, sie ähnelten eher Melonen – „außen grün und innen rot“. Das zeige ihre Bereitschaft zum gemeinsamen Regieren mit den Linken, etwa in Bremen. Als Jäger sage er nun, „die politische Schonzeit für den Ministerpräsidenten endet mit diesem Tag“.

Grüne vermissen Lösungen für Probleme

Auch CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart, dem zwischenzeitlich immer wieder eigene Ambitionen auf die Spitzenkandidatur nachgesagt wurden, geht mit den Grünen hart ins Gericht. Die CDU-Abgeordneten seien die „Impulsgeber“ in der grün-schwarzen Koalition und erledigten die Arbeit. Nur die Union habe einen Plan, wie die sich durch die Digitalisierung verändernde Gesellschaft 2030 aussehen solle, ohne dass es zu gesellschaftlichen Verwerfungen komme. „Der Countdown läuft“, sagt er.

Eisenmanns Auftritt mache deutlich, dass es in der Südwest-CDU „keine einzige durchdachte Idee für die Lösung wichtiger Zukunftsaufgaben“ wie Klimaschutz, Artenschutz oder Verkehrspolitik habe, kontern die Grünen-Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. „Es ist mit Händen zu greifen, wie unwohl und unsicher sich Susanne Eisenmann beim Aufsagen altbackener CDU-Sprüche fühlt.“

SPD-Generalsekretär Sascha Binder nannte Eisenmann eine „Scheinriesin“: Als Kultusministerin habe sie „rein gar nichts auf den Weg gebracht – im Gegenteil: Sie hat jede eigene Überzeugung geopfert, um sich dem stockkonservativen Parteiflügel anzudienen“.