Angela Merkel versucht mit allen Mitteln, die CSU von ihrer Politik zu überzeugen. Ausgang ungewiss. Foto: dpa

Angela Merkel hat in einem Schreiben an die Koalitionsspitzen die Brüsseler Gipfelbeschlüsse noch ergänzt. Damit versucht sie, die CSU doch noch zu überzeugen.

Berlin - Unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Brüssel am Freitagabend hat die Kanzlerin einen Brief verschickt. Das Schreiben, das die CDU-Vorsitzende den Spitzen der Koalition zukommen ließ, enthält Punkte, die direkt nach dem EU-Gipfel noch nicht bekannt waren – und das Angebot zur Beilegung des Asylstreits mit der CSU noch einmal nachbessern. Da ist zum einen die Präzisierung des in Europa Erreichten. So sind die europäischen Außen- und Innenminister beauftragt, „umgehend eine striktere Praxis der Vergabe von Schengen-Visa zu beschließen“. Im vergangenen Jahr nämlich hat eine fünfstellige Zahl von Asylbewerbern nur deshalb ein Antrag in Deutschland stellen können, weil ein anderer EU-Staat ein Dokument zur freien Reise auf dem Kontinent ausgestellt hat. Dies widerspricht den Dublin-Regeln, wonach das Ersteinreiseland für das Verfahren zuständig und eine Weiterreise – die sogenannte Sekundärmigration – nicht vorgesehen ist.

Merkels „Bericht zur Lage nach dem Europäischen Rat“ listet unter dem Titel „Mehr Ordnung und Steuerung in der Migrationspolitik“ insgesamt 16 Länder auf, die mit der Bundesrepublik Abkommen zur schnelleren und effizienteren Rücküberstellung von Flüchtlingen zu schließen bereit sind. Zwar bestritten die Regierungen Polens, Tschechiens und Ungarns unmittelbar nach Bekanntwerden des Briefes, eine solche Zusage gegeben zu haben. Aber auch so bleiben 13 Länder zur Kooperation in der Frage bereit. Mit Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Schweden sollen nun „Verwaltungsabkommen gemäß Artikel 36 Dublin-Verordnung“ abgeschlossen werden.

Die Prüffristen sollen drastisch reduziert werden

Darin wird geregelt, dass Asylbewerber dorthin zurücküberstellt werden, wo ihr Antragsverfahren läuft. Bisher gelingt dies von Deutschland aus jedoch nur in etwa 15 Prozent der Fälle, weil sich die vorgeschriebenen Prüfverfahren oft derart in die Länge ziehen, dass nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Aufenthaltsland des Flüchtlings die Zuständigkeit übernehmen muss. Die Abkommen sollen nun die Prüffristen drastisch reduzieren, mit dem Ziel „diese Quote deutlich zu steigern“, wie Merkel schreibt.

Bis zur Rücküberstellung sollen die anderswo registrierten Flüchtlinge nach dem Willen der Kanzlerin in den geplanten Ankerzentren untergebracht und ähnlich den Migranten aus sicheren Drittstaaten behandelt werden – dies beinhaltet strenge Auflagen und schließt eine Verteilung auf Kommunen aus. Dafür ist eine Änderung von Artikel 5 des Asylgesetzes notwendig, die die CDU-Vorsitzende vorschlägt. Der Koalitionspartner SPD unterstützt in einer Beschlussvorlage für die Parteivorstandssitzung an diesem Montag diese beschleunigten Verfahren bereits.

Zwei gesonderte Abkommen mit den Ankunftsländern Griechenland und Spanien sollen Merkel zufolge schon „in den nächsten vier Wochen vereinbart“ und danach „unmittelbar“ in die Tat umgesetzt werden. Die Regierungen in Athen und Madrid sind der Kanzlerin zufolge „bereit, Asylsuchende wieder aufzunehmen, die künftig von deutschen Behörden an der deutsch-österreichischen Grenze festgestellt werden und einen Eurodac-Eintrag der genannten Staaten haben“. Eurodac ist die europäische Fingerabdruckdatenbank zur Erstregistrierung von Flüchtlingen.

Konkrete Offerte an die CSU

Es ist wegen seiner möglicherweise schnellen Wirkung und dem direkten Bezug zu den drei Grenzkontrollposten die vielleicht konkreteste Offerte in Richtung CSU gewesen, deren Parteichef Horst Seehofer als Bundesinnenminister mit seinem Plan direkter Zurückweisungen an der Grenze ein politisches Zeichen setzen wollte – rechtzeitig vor der bayerischen Landtagswahl im Herbst. Die CSU könnte höchstens stören, dass Italien nicht mit von der Partie ist, wo besonders viele der Flüchtlinge in Deutschland zuerst registriert wurden. Und vielleicht, dass die Kanzlerin im Gegenzug zugesagt hat, „Fälle der Familienzusammenführungen in Griechenland und Spanien schrittweise abarbeiten und abschließen“ zu wollen, also auch Flüchtlinge zu Eltern oder Kindern in Deutschland nachreisen zu lassen.

Die SPD wäre damit einverstanden, weil sie darin den Teil einer europäische Lösung sieht und Seehofers Zurückweisungen klar ablehnt: „Die SPD steht für Kooperation in Europa und gegen einseitige nationale Maßnahmen, die sich gegen andere Mitgliedsstaaten richten.“

Grenzpolizei soll verstärkt werden

Neben den Details zu den Abkommen enthält das Schreiben aus dem Kanzleramt weitere Maßnahmen, die die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland reduzieren sollen. Die unter Druck stehende Regierungschefin hat „einen verstärkten Einsatz von Schleierfahndungen und sonstige intelligente grenzpolizeiliche Handlungsansätze“ vorgeschlagen, um mehr Flüchtlinge aufzugreifen, die jenseits der Kontrollposten ins Land kommen. Im Gegensatz zu klassischen Grenzkontrollen, die im Europa der offenen Übergänge eine Ausnahme in besonderen Situationen bleiben sollen, erlaubt der Schengener Grenzkodex solche flexiblen Kontrollen im Hinterland ausdrücklich.

Deutsche Beamte sollen nach dem Willen der Kanzlerin aber künftig nicht nur dort häufiger eingesetzt werden, sondern auch an den europäischen Außengrenzen. Sie werden benötigt, wenn bis 2020 eine 10 000 Mann starke europäische Grenzpolizei aufgebaut wird. Merkel will aber bereits „bis Ende August“ zusätzliches Personal an Bulgariens EU-Außengrenze sowie an die Übergänge von Griechenland nach Albanien und Mazedonien entsenden. „Wir müssen auch bereit sein“, schreibt sie weiter, „im Bedarfsfall Slowenien und Kroatien beim Grenzschutz zu unterstützen.“