Die komplette Filderstädter Verwaltungsspitze sowie Vertreter des Ehrenamtes, der Awo und des Landkreises standen Bürgern am Freitag Rede und Antwort. Foto: Natalie Kanter

Bis Jahresende sollen 300 Flüchtlinge im Filderstädter Stadtgebiet zumindest ein Dach über dem Kopf erhalten – wo genau ist offen.

Filderstadt - Filderstadt muss seiner Verantwortung gerecht werden“, sagte Oberbürgermeister Christoph Traub am Freitagabend in der gut gefüllten Rundsporthalle Bernhausen. Der neue OB wollte über die Unterbringung von Flüchtlingen in der Großen Kreisstadt informieren. Etwa 600 Bürger, darunter 20 Stadträte, waren der Einladung gefolgt. Landrat Heinz Eininger, die komplette Verwaltungsspitze sowie Vertreter des örtlichen Arbeitskreises Asyl und der Arbeiterwohlfahrt standen Rede und Antwort.

Traub war es ein Anliegen, den Bürgern die Not des Kreises und auch der Stadt vor Augen zu führen, um sie auf die kommenden Entscheidungen vorzubereiten, die in Kürze in den politischen Gremien fallen müssen. Filderstadt hat, wie berichtet, einen enormen Nachholbedarf was die Unterbringung von Asylbewerbern und von Flüchtlingen mit Bleiberecht betrifft.

Jüngst war noch von einem Defizit von 548 Plätzen die Rede gewesen. Nun sprach der Rathauschef von rund 800 Plätzen, die für die vorläufige Unterbringung dieser Menschen bis Ende 2016 zusätzlich geschaffen werden müssen. Die Verwaltungsspitze hat damit ihre Prognose deutlich erhöht. Von diesen 800 Plätzen sollen 300 bereits bis Ende dieses Jahres zur Verfügung stehen. Der Kreis will nun auch in Filderstadt eine Notunterkunft errichten.

Landrat Eininger stellte klar, dass Filderstadt derzeit gerade einmal Zweidrittel ihrer Quote erfüllt habe. Der Kreis aber benötige „jedes Bett und jeden Platz“. Er sagte: „Wir brauchen in diesem Jahr noch 6000 weitere Plätze.“ Der Kreis behelfe sich derzeit vor allem mit großen Unterkünften. Menschen, die vor Krieg, Terror und Diskriminierung fliehen, werden in ausgediente Hotels, in Turnhallen und auch in winterfeste Zelthallen untergebracht. „Da bleibt vieles auf der Strecke“, räumte Eininger ein. Eine Integration der Flüchtlinge könne dort nicht stattfinden. Sie müsse in der Anschlussunterbringung erfolgen. Deshalb sei er froh, dass sich so viele Bürger in der Flüchtlingshilfe engagieren wollen.

300 Wohnplätze für die Anschlussunterbringung

Die Filderstädter Verwaltung will zudem 300 Menschen mit Bleiberecht im kommenden Jahr Wohnplätze zur Verfügung stellen können. In dieser Zahl ist ein Puffer für den Nachzug von Angehörigen enthalten. Bisher leben in Filderstadt laut Bürgermeister Reinhard Molt 80 Flüchtlinge mit Bleiberecht in städtischen Gebäuden und in privaten Wohnungen.

Filderstadt hat also jede Menge vor. Wo genau all diese Pläne aber umgesetzt werden sollen, blieb auch nach der dreistündigen Informationsveranstaltung am Freitag und mehreren Nachfragen aus dem Publikum offen. „Eine Entscheidung darüber muss in den nächsten ein bis zwei Wochen fallen“, sagte Traub am Samstag auf Nachfrage unserer Zeitung. Insbesondere was den Standort für die Notunterkunft angeht. Sporthallen sollen bisher nicht belegt werden. Das könne nur das allerletzte Mittel sein, hatte der OB dazu am Freitag erklärt.

Die vom Gemeinderat abgesegnete Prioritätenliste müsse nun erneut intensiv durchgegangen werden, aber auch weitere Flächen in Betracht gezogen werden. Wie berichtet, hat die Stadt 73 denkbare Grundstücke überprüft und bewertet. Ein Areal am Schinderbuckel und auch eine Wiese am Rande des Gebietes Augenloch sind im Gespräch. Den Festplatz in Bonlanden hatten Stadträte als Standort abgelehnt. An der La Souterrainer Straße sollen Häuser für Flüchtlinge mit Bleiberecht gebaut werden.

Keine Steuererhöhung

Steuererhöhungen, um die notwendigen Investitionen abzufedern, soll es laut Finanzbürgermeister Andreas Koch nicht geben. Allerdings seien andere dringende Wünsche der Stadt bisher noch nicht im nächsten Haushalt eingearbeitet.

Julie Hoffmann von Awo berichtete ganz konkret von ihrer Arbeit: „Viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind krank.“ Sie wurden mitunter gefoltert und seien traumatisiert. Es bräuchte mehr Ärzte, die auf diesem Gebiet spezialisiert sind. Sie sagte auch: „Gerade syrische Flüchtlinge sitzen in den Unterkünften wie auf Kohlen.“ Sie fürchten um ihre Familien, die sie in der Heimat zurückgelassen haben, oder ebenfalls auf der Flucht sind. Dieser Druck sei nur zu lindern, wenn man ihnen eine Beschäftigung anbiete. Werner Weinmann vom AK Asyl sagte, dass es bereits sehr viele Helfer gebe. Gesucht würden aber noch Bürger, die tagsüber Zeit haben, um Zuwanderer auf Ämter zu begleiten. Generell gehe es bei dieser Arbeit darum, den Flüchtlingen ein Freund zu sein.

Trotz aller Neuigkeiten meldeten sich nur wenige Kritiker zu Wort, was der Landrat als „ermutigend“ wertete. Bürger aus Harthausen machten aber deutlich, wie wenig sie von dem in ihrem Stadtteil geplanten Heim halten. Fragen zur Koordination der Ehrenamtlichen, zum Sicherheitskonzept in den Unterkünften, zu Sprachkursen und zur Wohnraum-Gewinnung für Flüchtlinge wurden gestellt. Bürger bemängelten auch das lange Warten mancher Flüchtlinge auf den Ausgang ihres Asylverfahrens.