Von China nach Österreich: Nach einer Reise von rund 6000 Kilometer landete das Messer mit dem kostbaren Elfenbeingriff aus Elfenbein vor 1800 Jahren im römischen Ovilava, dem heutigen Wels. Foto: Stadt Wels/dpa

Vor 105 Jahren wurde im österreichischen Wels ein Messergriff aus Elfenbein mit rätselhafter Inschrift entdeckt. Jetzt stellt sich heraus: Das kostbare Artefakt gehörte einst einem Besucher aus dem fernen China. Und es ist das bisher am weitesten westlich gefundene Objekt aus dem China der Römerzeit.

Ein in Österreich gefundener rund 1800 Jahre alter Messergriff aus Elfenbein stammt nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem heutigen China.

Das archäologische Fundstück habe wohl in der Tasche eines Reisenden zur Römerzeit eine Entfernung von rund 6000 Kilometern zurückgelegt, teilte das Stadtmuseum Minoriten in Wels in Oberösterreich mit. Das Fundstück sei damit das bisher am weitesten westlich gefundene aus der Region und dieser Epoche.

Auf unsere Karte sehen Sie, auf welchen antiken Wegen der Messergriff von China nach Österreich gelangte:

Bereits 1918 bei Ausgrabungen entdeckt

Das Fundstück ist das bisher am weitesten westlich gefundene aus der Region und dieser Epoche. Foto: Stadt /Wels
Der Messergriff stammt aus der Oase Niya an der Seidenstraße in der Taklamakan-Wüste. Foto: Stadt /Wels
Weg des Messers: 6000 Kilometer – von China nach Oberösterreich – legte der Elfenbeingriff vor 1800 Jahren zurück. Foto: Stadt Wel/s

Von China nach Europa: der Weg des Messergriffs

Der bereits 1918 bei Ausgrabungsarbeiten in Wels entdeckte sieben Zentimeter lange Griff sei mit Hilfe deutscher Experten nun erstmals richtig eingeordnet worden.

Danach stamme der Messergriff aus der Oase Niya an der Seidenstraße in der Taklamakan-Wüste, sagt Renate Miglbauer, Stadtarchäologin und Museumsdirektorin. Der Ort ist heute Teil der Uiguren-Region Xinjiang im Nordwesten Chinas.

Wo verlief die Seidenstraße?

Die Seidenstraße war eine rund 6400 Kilometer lange alte Handelsroute, die Händler in der Antike und im Mittelalter (200 vor bis 200 nach Christus sowie im 13. und 14. Jahrhundert) von China nach Rom und Venedig brachte.

Die Waren wurden meist auf Kamelen transportiert. Die Karawanen brauchten bis zu zwei Jahre für die Strecke. Seewege gab es auch. Sie wurden aber erst im 15. Jahrhundert im großen Stil befahren.

Messergriff mit altindischer Ritzinschrift

Dien Ritzinschrift in der altindischen Schrift Kharosthi lautet: „Ehre verleihende Gabe für Herrn Tadara“. Foto: Stadt Wel/s
Möglicherweise stellt der eingeritzte Kopf den ehemaligen Besitzer „Herrn Tadara“ dar. Foto: Stadt /Wels

Eingeritzte Widmung in altindischer Schrift

Entscheidend sei die Arbeit des Archäologen und Althistorikers Stefan Pfahl von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf gewesen, erklärt Renate Miglbauer. Er habe bei einem Besuch die Besonderheit des Stückes erkannt.

Der Indologe Harry Falk von der Freien Universität Berlin habe die eingeritzte Widmung („Ehre verleihende Gabe für Herrn Tadara“) als Khar identifiziert, eine Variante der altindischen Schrift Kharosthi. Möglicherweise stellt der eingeritzte Kopf den ehemaligen Besitzer „Herrn Tadara“ dar.

Heutiges Wels war in der Antike wichtiges Handelszentrum

Über die Seidenstraße kam der Messergriff von China nach Europa. Foto: Stadt/ Wels
Die römische Siedlung Ovilava entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. am linken Traunufer im Bereich der heutigen Stadt Wels. Foto: Stadt/ Wels

Antikes Ovilava – das heutige Wels

Wels war zur Römerzeit ein bedeutendes Handelszentrum mit dem Namen Ovilava. Das Fundstück sei wohl kaum durch Handel dorthin gelangt, erläutert Museumsdirektorin Renate Miglbauer. Denn die Inschrift mache nur in dem geografischen Raum Sinn, wo sie gelesen und die Sprache verstanden worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass der Besitzer das Messer vermutlich selbst auf einer Reise über die Seidenstraße mitgebracht habe.

Die römische Siedlung entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. am linken Traunufer im Bereich der heutigen Stadt. Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.) erhob Ovilava zum „Municipium“ – also zu einer autonomen Stadt. Damit erhielt die Siedlung gemäß der römischen Verwaltung einen Stadtbezirk, der im Norden von der Donau, im Westen vom Inn, im Osten von der Enns begrenzt wurde. Im Süden bildete das Stadtgebiet von Iuvavum (Salzburg) sowie der Kamm der Tauern bis zur Enns die Grenze.

Info: Archäologischer Ausgrabungsort Niya

Ruinestadt
Die archäologische Stätte der Ruinenstadt von Niya liegt am südlichen Rand des Tarim-Beckens im Kreis Niya im Regierungsbezirk Hotan im heutigen Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang in China. Zahlreiche archäologische Artefakte aus den verschiedenen Stätten zur Zeit der chinesischen Han-Dynastien, der Wei-Dynastie und Jin-Dynastie wurden hier entdeckt.

Antikes Handelszentrum
Niya war einst ein bedeutendes Handelszentrum an einer Oase am südlichen Zweig der Seidenstraße in der südlichen Taklamakan-Wüste. In der Antike kamen hier die Karawanen durch, die Güter von China nach Zentralasien und bis in den Vorderen Orient zum Reich der Parther und Sassaniden sowie ins Römische Reich transportierten.