Überall fehlt bezahlbarer Wohnraum – die Flüchtlinge werden die Wohnungsnot noch verschärfen Foto: imago stock&people

Um den privaten Wohnungsbau anzukurbeln, sollte der Staat nach Ansicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mehr steuerliche Anreize schaffen. „Es besteht Aussicht, dass sich die Länder bei den Abschreibungen einigen“, sagte Kretschmann in einer Regierungserklärung zur Flüchtlingspolitik.

Stuttgart - Um den privaten Wohnungsbau anzukurbeln, sollte der Staat nach Ansicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mehr steuerliche Anreize schaffen. „Es besteht Aussicht, dass sich die Länder bei den Abschreibungen einigen“, sagte Kretschmann in einer Regierungserklärung zur Flüchtlingspolitik. Das Land müsse gemeinsam mit den Kommunen und dem Bund dafür sorgen, dass mehr Wohnungen entstehen.

Auch Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sagte: „Ohne privates Kapital werden wir das nicht schaffen“. Sie sei zwar froh, dass der Bund sich mit zusätzlich einer halben Milliarde Euro an der Baufinanzierung beteilige, doch davon flössen nur 40 Millionen ins Land. Ihr FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke quittierte den Ruf nach privatem Kapital mit der Bemerkung: „Herzlichen Glückwunsch zu dieser Einsicht!“ Er appellierte auch an die Regierung, bürokratische Hürden zu senken: „Flächensparen kann jetzt nicht oberstes Prinzip sein.“

Dies sicherte Kretschmann zu. Das Land werde die „Instrumente zur Verhinderung des Flächenfraßes lockern“, um den Wohnungsbau zu erleichtern, kündigte der Regierungschef an. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel warf die Frage auf, „ob wirklich jeder Laufkäfer ein Projekt verzögern“ dürfe. Ziel müsse sein, in jedem Jahr 45 000 neue Wohnungen fertigzustellen.

Kündigung von Altmietern „geht gar nicht

Scharfe Kritik übte Schmiedel an der Entscheidung des Gemeinderats von Eschbach im Breisgau, einer langjährigen Mieterin zu kündigen, um in der Gemeindewohnung Flüchtlinge unterzubringen: „Das geht gar nicht.“ Solche Signale schürten Ängste.

CDU-Fraktionschef Guido Wolf forderte Kretschmann mit Blick auf den Flüchtlingszustrom auf, in den Erstaufnahmeeinrichtungen weitere Plätze zu schaffen, anstatt nur zu reagieren: „Sie sind ein Getriebener.“ Notwendig sei eine „Politik aus einer Hand“.

Zweifel äußerte Wolf an der Entschlossenheit des Regierungschefs, die vom Berliner Asylgipfel vereinbarte Umstellung des Taschengelds auf Sachleistungen tatsächlich umzusetzen. Wolf: „Daran werden wir Sie messen.“ Der Passus der Vereinbarung, wonach Sachleistungen nur bei „vertretbarem Verwaltungsaufwand“ gezahlt werden sollen, dürfe nicht als Vorwand dienen, darauf zu verzichten.

Sachleistungen als Taschengeld

Grünen-Fraktionschefin Sitzmann äußerte Zweifel, ob die Umstellung praktikabel ist. Es sei auch ein Irrglaube, dass das Taschengeld für die meisten Flüchtlinge einen Anreiz darstelle: „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass eine Familie in Aleppo wegen 140 Euro Taschengeld in die Erstaufnahme geht, das ist doch lächerlich.“ Kretschmann sicherte Wolf zu, sich an die Asylbeschlüsse zu halten. Allerdings bevorzuge er eine Lösung mit einer elektronischen Kreditkarte, die ein bargeldloses Abbuchen ermögliche: „Wenn das ohne erheblichen Aufwand möglich ist, werden wir das machen.“

Weiterhin umstritten ist die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Wolf äußerte Zweifel am Zeitpunkt ihrer Einführung, da sie seiner Meinung nach einen weiteren Anreiz darstellt. Rülke forderte, die Karte nur an Flüchtlinge mit Aussicht auf Bleiberecht auszugeben, nicht schon in den Erstaufnahmestellen. Sitzmann hielt dagegen, die Karte gewährleiste nur eine Grundversorgung, entlaste aber die Kreise von Verwaltungsaufwand.

Kretschmann sieht bei der Integration die Flüchtlinge in der Pflicht: „Wir geben einen Vertrauensvorschuss, wir investieren in die Zukunft der Menschen, die zu uns kommen, wir leben eine Willkommenskultur, aber wir erwarten im Gegenzug Leistungsbereitschaft, Anstrengung, Verantwortungsbereitschaft und Integrationswillen.“