Die SPD-Mitglieder der Verhandlungskommission (von links): Manuela Schwesig, Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern, SPD-Chef Sigmar Gabriel, der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, SPD-Bundesschatzmeisterin Barbara Hendricks und der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, in der CDU-Zentrale in Berlin nach der fünften großen Runde der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. Foto: dpa

Direkt nach den Koalitionsverhandlungen startet die SPD in ihren Parteitag. Einen Durchbruch kann die Parteiführung den Delegierten nicht präsentieren. Trotzdem will sie für Schwarz-Rot werben.

Direkt nach den Koalitionsverhandlungen startet die SPD in ihren Parteitag. Einen Durchbruch kann die Parteiführung den Delegierten nicht präsentieren. Trotzdem will sie für Schwarz-Rot werben.

Berlin - SPD-Chef Sigmar Gabriel will seine Partei trotz anhaltender Differenzen mit der Union auf eine große Koalition einstimmen. Einen Tag vor Beginn des SPD-Parteitags verständigte sich die große schwarz-rote Verhandlungsrunde auf mehrere Vorhaben etwa in den Bereichen Umwelt, Inneres und Verbraucherschutz. Die Generalsekretäre demonstrierten nach zuletzt scharfen Tönen zwischen CDU, CSU und SPD wieder mehr Gemeinsamkeit. Strittig blieben aber zentrale SPD-Forderungen etwa zur doppelten Staatsbürgerschaft, nach Volksabstimmungen oder in der Schulpolitik.

Mit Spannung wird beim Treffen der 600 SPD-Delegierten in Leipzig ein Stimmungstest nach drei Wochen Koalitionsgesprächen erwartet. Bei dem an diesem Donnerstag beginnenden Parteitag will sich die SPD für künftige Bundestagswahlen zur Linkspartei öffnen. Gabriel steht zur Wiederwahl als Vorsitzender.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte nach der Sitzung der Verhandlungsrunde am Mittwoch: „Wir haben die Ernte noch nicht in der Scheune.“ Sie werde dem Parteitag nur ehrlich berichten können, „dass wir in den Verhandlungen stecken. Dass es da mal rumst, das finde ich nicht schlimm.“ Sie erlebe dennoch ein konstruktives Klima. Zuletzt war es in einigen schwarz-roten Arbeitsgruppen zu heftigem Krach gekommen.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, er vertraue darauf, dass der SPD-Parteitag und der CSU-Parteitag in der kommenden Woche „gute Ereignisse“ auf dem Weg zu einer Regierungsbildung werden. CSU- Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, Haltungen zu bestimmten Themen führten nicht dazu, dass versucht werde, „zwei gegen einen zu spielen“. Am Schluss müssten alle drei Parteien sich einigen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung deutlich, dass eine Koalition auf Projekte verzichten solle, die das Wirtschaftswachstum gefährdeten. Wachstum sei der Schlüsselbegriff, weil es Spielraum für die Finanzierung von Projekten schaffe. Merkel wurde mit den Worten zitiert: „Wir müssen mit dem auskommen, was reinkommt.“ Im Streit mit der SPD um höhere Bildungsausgaben habe sie gemahnt, eine Gesamtfinanzierung ohne Steuererhöhungen im Blick zu behalten. Die Union hat Vorbehalte gegen Bundeshilfen für Schulen.

Die großen Konflikte sollen erst später behandelt werden

Die große schwarz-rote Runde mit mehr als 70 Politikern billigte in ihrer fünften Sitzung Konzepte mehrerer Arbeitsgruppen. Demnach sollen Verbraucher besser vor unseriösen Geschäftspraktiken wie schnellen Vertragsabschlüssen am Telefon geschützt werden. Als Konsequenz aus dem Justizdesaster um die rechtsextreme NSU soll die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden verbessert werden.

In der Umweltpolitik sollen Anwohner stärker an der Planung von Flugrouten beteiligt werden. In der Europa-Politik soll es weiterhin keine Vergemeinschaftung von Staatsschulden geben. Erreicht werden solle eine stärkere Balance zwischen Wirtschafts- und Sparpolitik sowie sozialen Belangen. Bei geplanten Regeln zur Abwicklung maroder Banken bleibt es bei Differenzen.

Die großen Konflikte um Rente, Pkw-Maut, Finanzen und Mindestlohn sollen ohnehin erst später behandelt werden. Der Koalitionsvertrag soll bis zum 27. November stehen. Über einen Eintritt der SPD in eine große Koalition entscheiden im Dezember die rund 473 000 Mitglieder.

Ein Entwurf des SPD-Leitantrags für den dreitägigen Parteitag sieht vor, bei künftigen Bundestagswahlen eine Koalition mit der Linkspartei nicht mehr auszuschließen. Führende SPD-Politiker machten aber klar, dass die Partei jetzt auf das angestrebte Bündnis mit der Union setze. Man suche keinen Notausgang aus den Verhandlungen, sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Linke-Parteivize Sahra Wagenknecht rief die SPD zum Abbruch der Verhandlungen auf. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte im Deutschlandfunk, eine Öffnung zur Linken werde „die SPD in der Mitte unserer Gesellschaft nicht attraktiver machen“.

Die fünf „Wirtschaftsweisen“ warnten, dass eine große Koalition Erfolge der Reform-Agenda 2010 und damit den Aufschwung verspielen könnte. Die Experten kritisierten Projekte wie einen gesetzlichen Mindestlohn und die Mitpreisbremse.