Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will offenbar zurücktreten. Foto: imago/Political-Moments

Ihre Neujahrsansprache inmitten explodierender Böller war nur das jüngste Beispiel: Verteidigungsministerin Lambrecht steht seit Monaten in der Kritik. Jetzt steht sie vor dem Rücktritt.

Die Kritik reißt nicht ab. Seit Tagen sieht sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit Vorwürfen fehlenden Feingefühls und politischer Instinktlosigkeit konfrontiert – bis hin zu Rücktrittsforderungen. In einer am Silvesterabend aufgenommenen und auf Instagram veröffentlichten Botschaft hatte Lambrecht inmitten explodierender Böller über den Krieg in der Ukraine gesprochen.

 

„Mitten in Europa tobt ein Krieg“, hatte Lambrecht gesagt. Und weiter: „Damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Lambrecht in den Fokus der Kritik rückt. Ein Überblick.

Warum hatte die Ministerin einen schlechten Start – und was hat sie dazu beigetragen?

Das Amt der Verteidigungsministerin ist kein einfaches. Lambrecht hatte es bekanntermaßen nicht angestrebt – aber zugegriffen, als Olaf Scholz es ihr anbot. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie lieber Innenministerin geworden wäre. Einen schlechten Start bescherte Lambrecht sich spätestens selbst, als sie kurz vor Ostern des vergangenen Jahres zu einem Truppenbesuch in Norddeutschland aufbrach.

In einem Helikopter der Bundeswehr nahm sie ihren erwachsenen Sohn mit – ehe es weiter in den Urlaub auf Sylt ging. Lambrechts Sohn postete ein Foto von sich im Helikopter auf Instagram. Das öffentliche Unverständnis war groß. Lambrecht beteuerte später, sie habe zwar alle Regeln und Vorschriften eingehalten – würde im Nachhinein aber dennoch anders handeln.

Bringt Lambrecht das Projekt einer besseren Ausstattung für die Bundeswehr ausreichend voran?

Kritiker werfen Lambrecht schon lange fehlende Sachkenntnis und mangelnden Einsatz für die Bundeswehr vor. Die Ausstattung der Bundeswehr lässt allerdings schon länger zu wünschen übrig: Lambrecht trat an dieser Stelle ein schwieriges Erbe an. Die Opposition kritisiert, die Beschaffung neuer Rüstungsgüter gehe zu schleppend voran – obwohl nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine eigens ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geschaffen worden war. In der SPD wiederum verweist man darauf, das Geld müsse vor allem klug ausgegeben werden – und nicht nur schnell.

Als Lambrecht wiederum in einem Brief an Finanzminister Christian Lindner (FDP) um mehr Geld für Munition bat, ließ dieser einen Staatssekretär abschlägig antworten: Die Bestellung scheitere nicht an fehlenden Mitteln, vielmehr sehe er ressortinternen Optimierungsbedarf bei der Organisation.

Was ist los bei den F35-Kampfjets und den Puma-Panzern?

Beim Kauf der F35-Kampfjets ist es offenbar wie oft bei Rüstungsprojekten und Rüstungsgeschäften: Es könnte teurer werden als erwartet, und alles könnte länger dauern. Das bedeutet: Die Gesamtkosten von zehn Milliarden Euro für die 35 Maschinen, mit denen die Tornado-Jets ersetzt werden sollen, könnten auch höher ausfallen. Es drohen hohe Folgekosten, wenn die Zeitschiene gerissen wird. Welche Probleme gibt es bei der Zulassung? Wird ein Flugplatz schnell genug umgebaut?

Auch Finanzpolitiker aus der Koalition mahnen, hier sei die volle Aufmerksamkeit der Ministerin gefordert – damit alles glatt geht. Beim Schützenpanzer Puma wiederum sind vor kurzem 18 von 18 Gefechtsfahrzeugen in einer Übung ausgefallen. Ein peinlicher Vorfall, aber natürlich nicht die Schuld der Ministerin.

Wie steht der Kanzler zur Ministerin?

Aus der Opposition gibt es nach dem Silvester-Vorfall bereits erste offene Forderungen an Kanzler Olaf Scholz (SPD), Lambrecht aus dem Kabinett zu werfen. Auch in der Ampel ist Lambrecht längst nicht mehr unumstritten. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, sagte: „Ich selbst finde das Setting etwas unglücklich. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“

Scholz ist bekannt dafür, dass er sich bei seinen Entscheidungen nicht gern von der öffentlichen Debatte treiben lässt. Es ist nicht lange her, dass Scholz die Arbeit Lambrechts gelobt hat. Nun deutet alles darauf hin, dass Lambrecht selbst Konsequenzen zieht. Nach übereinstimmenden Medienberichten will die umstrittene Ministerin zurücktreten, bestätigt ist dies aber noch nicht.