„Wir müssen mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen“, unterstreicht EU-Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager bei der Präsentation der EU-Verteidigungsstrategie. Foto: AFP/JOHN THYS

Die EU präsentiert in Brüssel eine neue Verteidigungsstrategie. Sie ist die Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine und soll die Union auch unabhängiger von den USA machen.

Europa will seine Rüstungsproduktion massiv ausbauen. Das die zentrale Aussage der neuen Verteidigungsstrategie, die am Dienstag von der EU-Kommission vorgestellt wurde. Angesichts des Überfalls von Russland auf die Ukraine müssten „die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ihre Vorsorge verstärken“, heißt es in Brüssel.

Ziel ist aber nicht nur die Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit zu erhören, Europa soll auch unabhängiger vom größten Waffenlieferanten USA werden. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hätten die EU-Länder 70 Prozent der an Kiew gelieferten Waffen in den USA gekauft, hieß es in Brüssel. Offensichtlich haben in diesem Fall auch die jüngsten politischen Entwicklungen in Washington Eingang in die Überlegungen bei der EU-Kommission gefunden. Bei einem möglichen Wahlsieg von Donald Trump droht sogar der Austritt der USA aus der Nato.

Verantwortung für die eigene Sicherheit

„Wir müssen mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen“, sagte EU-Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager bei der Präsentation am Dienstag - und das unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl im November. Im selben Atemzug betonte sie allerdings, dass dieser Schritt keine Abkehr der EU vom atlantischen Verteidigungsbündnis sei. Europa bleibe „voll und ganz der Nato treu“, betonten Verstager und sieht mit der neuen EU-Verteidigungsstrategie auch die Nato gestärkt. „Eine verbesserte Handlungsfähigkeit wird uns zu einem stärkeren Verbündeten machen.“ Aus diesem Grund sei in der Strategie etwa ein verstärkter Dialog mit der Nato vorgesehen, um Synergieeffekte nutzen zu können.

Von allen Seiten wird betont, dass die neue Verteidigungsstrategie ein überaus ambitionierter Ansatz sei. So setzt etwa der Gesetzvorschlag für ein Programm zur Europäischen Verteidigungsindustrie (European Defense Industry Programme, Edip) den Mitgliedsländern deutlich höhere Zielmarken als bisher. Bis 2030 sollen sie „mindestens 50 Prozent ihres Beschaffungsbudgets für Verteidigungsgüter innerhalb der EU“ ausgeben, bis 2035 sollen es 60 Prozent sein. Bereits 2007 hatte sich die EU ein freiwilliges Ziel von 35 Prozent gesetzt, das ungeachtet des russischen Angriffskriegs in der Ukraine weit verfehlt wird.

Subventionen für die Rüstungsindustrie

Die EU-Kommission hofft zudem, Europas Rüstungsindustrie mittels Subventionen und Steueranreizen einen Schub verleihen zu können. Dafür sind 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushaltsrahmen bis 2027 vorgesehen und ein Wegfall der Mehrwertsteuer bei der gemeinsamen Beschaffung von Waffen. Allerdings sollen Projekte der europäischen Verteidigungsindustrie auch erstmals sehr gezielt von der Europäischen Investitionsbank (EIB) gefördert werden, das hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits in diesen Tagen angekündigt. Der Schwerpunkt soll dabei auf neuen Technologien, kritischen Infrastrukturen wie Grenzkontrollen, Cybersicherheit, Raumfahrt sowie Technologien mit doppeltem Verwendungszweck - sogenanntem Dual-Use - liegen. Bislang ist die EU-Förderbank im Bereich Verteidigung nur bei diesen Dual-Use-Gütern aktiv, die zivil und militärisch verwendet werden können, beispielsweise Helikopter oder Drohnen. Wenn sich das ändern soll, müssten sich die 27 EU-Mitgliedsländer auf eine Änderung des Mandats einigen.

Eine besondere Rolle für die Ukraine

Positiv über die neuen EU-Verteidigungsstrategie äußerte sich am Dienstag Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Bei der Rüstung werde zu oft „nur national gedacht“, kritisiert er. „Wir müssen im Verteidigungssektor nicht nur mehr Geld ausgeben, sondern dieses besser und europäischer verwenden als bislang.“

Eine besondere Rolle in dem EU-Konzept spielt die Ukraine. Das Land soll eng in die Rüstungspläne eingebunden werden, sodass beide Seiten voneinander profitieren können, hoffen die Verantwortlichen in Brüssel. Das Programm biete „die Möglichkeit, sich an der Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Beschaffung zu beteiligen und ukrainische Verteidigungsunternehmen bei ihrer industriellen Expansion und Zusammenarbeit mit der industriellen und technologischen Basis der europäischen Verteidigung zu unterstützen“, heißt es von Seiten der EU-Kommission.