Die EU plant das Aus für kleine Plastiktüten. Damit soll der Müllberg reduziert werden. Foto: dpa/Marcel Kusch

Europa will die Müllberge verkleinern. Dazu plant Brüssel eine Verpackungsverordnung, doch die ist heftig umstritten.

Müll ist ein Milliardengeschäft. Jeder Mensch in der EU verursacht pro Jahr im Schnitt 190 Kilo allein an Verpackungsmüll – Tendenz steigend. Doch die Verpackungsindustrie, die jährliche Umsätze in Höhe von 355 Milliarden Euro verzeichnet, ist seit Monaten in heller Aufregung. Der Grund ist die geplante „Packaging and Packaging Waste Regulation“ (PPWR) der Europäischen Union. Das klingt – wie vieles, was aus Brüssel kommt - kompliziert, ist im Grunde aber ziemlich einfach. Die EU will die Kreislaufwirtschaft stärken und das Recycling ausbauen und auf diese Weise die Müllberge abbauen. Betroffen sind also alle Lebensbereiche.

Fast Food bald nur noch auf Tellern

Leichte Plastiktüten wie etwa beim Obsteinkauf sollen demnach weitgehend verboten werden. In den großen Fast-Food-Ketten werden die Burger in Zukunft wohl auf Tellern und die Cola in Mehrwegbechern serviert, so wie es in Frankreich schon üblich ist. Für Getränke sollen alle EU-Staaten Mehrwegsysteme einführen. „Was in Deutschland bereits gängige Praxis ist, wird nun in ganz Europa zum Standard“, betont die umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Delara Burkhardt.

Dennoch schrillten beim Deutschen Brauerbund die Alarmglocken, weil Gerüchte um die richtige Etikettierung und eine spezielle Markierung von Flaschen die Runde machten. Milliarden Flaschen müssten eingeschmolzen, meldete sich der Verband empört zu Wort. Von einer zentralistischen Verwaltungsbürokratie der EU war die Rede, von fragwürdigen Vorschriften und drohenden Milliardeninvestitionen der deutschen Brauereien. Doch es war viel Lärm um nichts, denn für die Brauer und ihre Flaschen ändert sich wohl nichts.

Jedes EU-Land möchte seine Ausnahmen

Es habe sich im Laufe der Verhandlungen gezeigt, dass jedes Land beim Thema Verpackungen seine ganz eigenen Befindlichkeiten habe, sagt die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler. So ist es Spanien ein Dorn im Auge, dass Salatgurken nicht mehr einzeln in Folie verpackt werden sollen. Das Problem: das mindert die Haltbarkeit – ein wichtiges Argument beim Export. In Frankreich droht den Camembert-Verpackungen das Aus, weil sie nur schwer zu recyceln sind, was die Franzosen natürlich nicht hinnehmen wollen.

Aufregung gibt es auch um einen Vorschlag im Artikel 22, Anhang 5, Teil 4 der geplanten Verordnung. Darin wird gefordert, dass die kleinen Papiertütchen für Zucker oder Gewürze in der Gastronomie verboten werden sollen. In diesem speziellen Fall spricht sogar der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese von „Verbotsorgien“. Völlig absurd werde das Thema dadurch, dass diese Tütchen in allen drei EU-Institutionen benutzt würden. „Ich kämpfe dafür und bin zuversichtlich, dass dieses Verbot den nächsten Mittwoch nicht überlebt“, bekennt Peter Liese kämpferisch. Dann nämlich wird das Europaparlament über die Verpackungsordnung abstimmen. Für ein Verbot der Zuckertütchen wird die Sozialdemokratin Delara Burkhardt stimmen. Sie versteht die ganze Aufregung nicht. „Ob ich meinen Kaffee süßen will, entscheide ich doch beim Kauf, dann kann ich auch Zucker aus dem Zuckerstreuer reinschütten“, sagt die Politikerin und fordert, sich nicht in diesem Kleinklein zu verstricken, sondern sich „auf das Wesentliche zu konzentrieren“: die Vermeidung von Müll.

Kopfzerbrechen beim Versandhandel

Großes Kopfzerbrechen bereitet die geplante Verordnung natürlich den Versandunternehmen oder auch den Herstellern von Haushaltsgeräten, deren Lieferungen beim Transport zum Kunden in der Regel dick in Plastikfolie und Styropor eingepackt sind. Da die geplante Verordnung tief in die Abläufe der Unternehmen eingreifen würde, fährt die Verpackungsindustrie eine ungewöhnlich große Lobbykampagne. Auch sie ist natürlich für Umweltschutz, glaubt die EU aber auf dem falschen Weg.

„Der Vorschlag der Kommission würde zu einer Flut von Hartplastikprodukten auf den europäischen Märkten führen, die letztlich in den Flüssen, Meeren und Deponien landen würden“, betont etwa die European Paper Packaging Alliance (EPPA) in Brüssel. Nach Angaben des Lobbyverbandes verbrauchten wiederverwendbare Verpackungen mehr Wasser und seien weniger hygienisch, außerdem würden Kosten und CO2-Verbrauch im Vergleich zu Einwegverpackungen aus Papier steigen.

Jägermeister könnte Probleme bekommen

Der Markenverband e.V. warnt sogar davor, dass traditionelle deutsche Marken wie Jägermeister, Maggi oder Odol vom Markt verschwinden könnten. Der Grund: diese Produkte sind bei den Verbrauchern auch durch ihre besondere Verpackung ein Begriff. Solche „ikonischen Formen“ wären in der geplanten Verpackungsverordnung allerdings nicht mehr wie bisher über die geistigen Eigentumsrechte geschützt. Aus diesem Grund werden die Europaparlamentarier am Mittwoch auch über den Änderungsantrag 421, Artikel 9, Absatz 2 abstimmen. Darin wird gefordert, dass solche Traditionsmarken über eine Ausnahmeregelung weiter ihre Alleinstellungsmerkmale behalten dürfen.