Wer in den Bergen verunglückt, hofft auf schnelle Hilfe. Doch in einigen Fällen kommt jede Hilfe zu spät.. Foto: dpa-tmn/Angelika Warmuth

Immer wieder verunglücken Wanderer und Bergsteiger in den Alpen tödlich – auch in diesem Frühjahr und Sommer. Der Tod am Berg kann viele verschiedene Gründe haben. Doch gibt es Ursachen, die besonders häufig auftreten.

Für den Bergsport und Alpin-Tourismus in den Alpen ist es eine traurige Woche gewesen. Innerhalb weniger Tage kommen sechs Deutsche in den Alpen ums Leben. Und sie sind nur einige der Bergsteiger, Wanderer und Paragleiter, die in den vergangenen Wochen in den Bergen ihr Leben ließen. Eine Übersicht:

tödliche Bergunfälle in den Alpen von April bis Juli 2023

Auf unserer Karte sehen Sie, wo sich tödliche Bergunfälle in den Alpen von April bis Juli 2023 ereignet haben:

Wo ist es zu tödlichen Bergunfällen in den Alpen gekommen?

22. Juli: Ein 57-jähriger Bergwanderer ist am Brecherspitz in  Oberbayern tödlich verunglückt. Suchtrupps fnden  den am Samstag von Angehörigen vermisst gemeldeten Mann am Sonntag (23. Juli) am Ostgrat des knapp 1700 Meter hohen Berges bei Schliersee in den bayerischen Voralpen. Nach ersten Erkenntnissen stürzte er beim Abstieg rund 70 Meter tief durch steiles Felsgelände.

19. Juli: Bei einem Aufstieg am Berg Monte Viso, auch als Monviso bekannt, in der norditalienischen Region Piemont verunglückt ein deutscher Bergsteiger tödlich. Der Mann rutscht am frühen Donnerstagmorgen aus, stürzt mehrere Dutzend Meter in die Tiefe und kommt auf Felsen auf. Italienischen Medienberichten zufolge geschah das Unglück vor den Augen seiner Frau und der 17-jährigen Tochter, die bei dem Aufstieg am Sagnette-Pass auf einer Höhe von ungefähr 2900 Metern dabei waren.

18. Juli: Ein 28 Jahre alter Allgäuer ist bei einer herausfordernden Klettertour an der Zugspitze ums Leben gekommen. Er wird von einem Freund als vermisst gemeldet, nachdem er nicht wie vereinbart zurückgekehrt war. Die Bergwacht Garmisch-Partenkirchen birgt den Leichnam des Verunglückten. 

15. Juli: Bei einem Aufstieg am Mont-Blanc-Massivverunglückt ein deutscher Bergsteiger tödlich. Der Mann stürzt dem Aiguille Noire de Peuterey im italienischen Aostatal mehrere Meter in die Tiefe und erliegt seinen schweren Verletzungen. Die Leiche des Mannes aus Augsburg wird am Sonntagabend g(16. Juli) geborgen. Das Aostatal im Nordwesten Italiens grenzt an Frankreich und die Schweiz.

14. Juli: Eine 62-jährige Frau verunglückt beim Klettern in Tirol tödlich. Die Deutsche, die zu einer Dreierseilschaft gehörte, stürzt in der Gimpel Nord-Ost-Wand im Gemeindegebiet von Nesselwängle im Tannheimer Tal ab. Die Frau fällt mehrere Meter tief in ihr Seil, prallt gegen die Felswand. Dabei zieht sie sich tödliche Verletzungen zu.

14. Juli: In Tirol stürzt ein 76-jähriger Deutscher beim Paragleiten ab und stirbt. Der Mann war am Startplatz Neunerköpfle in der Gemeinde Tannheim (Tirol) gestartet und geriet dabei offenbar in Turbulenzen.

13. Juli: Ein 71-jähriger Deutscher kommt in Neustift im Stubaital (Tirol) ums Leben. Er war nach Polizeiangaben Mitglied einer neunköpfigen Wandergruppe. Der Mann kommt beim Abstieg vom Weg ab und stürzt rund 300 Meter über felsiges Gelände ab.

7. Juli: Beim Abstieg vom Kleinen Möseler in den Zillertaler Alpen (Tirol) kommt es zu einem tödlichen Bergunfall. Ein 32-Jähriger stürzt vom Ostgrat 120 Meter tief ab.

5. Juli: Ein 65-Jähriger stürzt vom Stangensteig in Grainau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen)rund 150 Höhenmeter auf den Klammweg und landet nur wenige Meter von zwei dort befindlichen Wanderern entfernt.

25. Juni: Zwei Bergsteiger stoßen auf der Nordseite der Bretterspitze im Lechtal (Tirol) auf eine Leiche. Bei der Toten handelt sich um eine 39-Jährige aus Bayern.

17. Juni: Eine Gruppe von 12 Personen steigt über die Nonnenalpe auf den Tantermauses, einem Berggipfel im Gemeindegebiet von Bürs in Voralberg. Noch vor Einbruch der Dunkelheit stürzt ein Mitglied der Gruppe ab und erleidet tödliche Verletzungen. Beim Abstiegsversuch zum Verletzten stürzt ein weiteres Mitglied der Gruppe ab.

16. Juni: In den französischen Alpen stürzen zwei etwa 30 Jahre alte Wandererin der Nähe des Dôme de Neige des Écrins (französische Westalpen) ab. Ein anderer Wanderer findet ihre Leichen einen Tag später in einem kleinen Tal.

9. Juni: Ein 61-jähriger Bergsteiger verunglückt tödlich unweit des Zugspitzgipfels (Landkreis Garmisch-Partenkirchen). Er war nach Aussagen einer Augenzeugin kurz unterhalb des Gipfels durch einen kleinen Schneerutsch erfasst und mitgerissen worden.

28. Mai: Bei einer Skitour im Tiroler Teil des Karwendels stürzt ein Mann aus Oberbayern ab und wird dabei tödlich verletzt.

2 7. Mai: Ein Bergsteiger wird im Dachsteinmassiv (Oberösterreich/Steiermark) tot aufgefunden.

20. Mai: Ein 67-jähriger Österreicher stürzt beim Abseilen an der Stafflachwand bei St. Jodok (Tirol) tödlich ab. Der Mann fällt 60 Meter ohne Sicherung die Wand hinab und verstirbt noch während der Rettung. Die Alpinpolizei geht von einem Sicherungsfehler aus.

23. April: Eine Wanderin aus Halle stürzt am Großen Barmstein (oberhalb der österreichischen Stadt Hallein) 90 Meter ab. Die Rettungskräfte können nur noch den Tod der 45-Jährigen feststellen.

19. April: Im Montblanc-Massiv (französische Alpen) wird eine Gruppe Alpinisten Opfer einer gewaltigen Eislawine. Zwei deutsche Bergsteiger werden von den Eismassen begraben. Eine Person wird leicht getroffen, vier weitere bleiben unverletzt.

13. April: Bei einem Lawinenabgang im norditalienischen Aostatal kommen drei Menschen ums Leben. Die vierköpfige Gruppe bestand aus drei Bergführeranwärtern und ihrem Ausbilder. Nur dieser kann sich unverletzt ins Tal retten.

Wie viele Bergunfälle endeten 202 in den Alpen tödlich?

In den meisten Fällen gehen Bergunfälle mit Verletzungen einher. Doch im schlimmsten Fall können sie tödlich enden.

Bergunfälle in der Schweiz

Nach Angaben des Schweizer Alpen-Club SAC ist die Zahl der Bergnotfälle im Jahr 2022 (3668) gegenüber dem Vorjahr (3680) leicht gesunken. Die Anzahl der Todesfälle ist nach der Bergunfallstatistik markant gesunken: von 131 im Jahr 2021 auf 109 im Jahr 2022.

Bergunfälle in Österreich

Laut Statistik des Österreichischem Kuratorium für Alpine Sicherheit sind n im Sommer 2022 insgesamt 133 Personen in Österreichs Bergen ums Leben gekommen. im gesamten vergangenen Jahr starben 286 Menschen in Österreichs Bergen.

Bergunfälle in Deutschland

In den bayerischen Bergen starben laut Aufzeichnungen der Bergwacht Bayern 2021 insgesamt 85 Personen. Im ersten Halbjahr 2022 gab es 30 Bergtote.

Was sind die häufigsten Ursachen für Bergunfälle?

Die Ursachen, am Berg zu Schaden zu kommen und verletzt zu werden, sind zahlreich. Bei tödlichen Bergunfällen gibt es Experten zufolge drei Ursachen, die besonders häufig auftreten:

• Herz-Kreislaufversagen

• Stürze, Stolpern und Ausgleiten

• Absturz

Wie groß sind die Gefahren am Berg?

Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein weiß nur zu gut um die Gefahren am Berg. Doch gefahrlos, sagt der Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV), könne man nie in die Alpen gehen. Ein Restrisiko gebe es immer. „Das war vor 100 Jahren so – und das ist heute so. Allerdings ist das Risikomanagement heute besser als früher.“

Welche Risiken bergen Felsveränderungen infolge des Klimawandels?

Jan Beutel, Bergführer und Forscher an Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) erklärt: „Alles, was größer ist als ein halber Apfel, ist potenziell tödlich.“ Felsveränderungen habe es zwar schon immer gegeben. Aber: „Es gibt zunehmend größere Felsstürze“, betont Beutel.

Die ETH-Forscher untersuchen den Einfluss des Klimawandels auf die Stabilität steiler Felswände. Sie haben am Matterhorn auf 3500 Metern Höhe an 29 Stellen Geräte installiert, die rund um die Uhr Fotos machen, Spalten und Schwingungen messen und akustische Signale registrieren. Die Grundlagenforschung soll Muster für Vorhersagen von Felsstürzen liefern.

Müssen Besucher der Alpen umdenken?

Ja. Für Thomas Bucher steht fest, dass sich mit dem Klimawandel und dem Auftauen des Permafrosts die Gefahren am Berg verändern und an manchen Stellen sogar größer werden. „Damit müssen Bergsteiger lernen umzugehen.“

Zwar sei es nicht so, dass Wandern und Klettern in den Alpen unmöglich würden, aber alte Wege seien mitunter gefährlicher geworden. Wanderwege würden im Extremfall unpassierbar. „Meistens werden aber Umwege eingerichtet.“

„Wir begegnen wachsenden Naturgefahren“, ergänzt Rolf Sägesser vom Schweizer Alpenclub. „Gelände, das früher problemlos zu begehen war, ist heute anspruchsvoller.“

Das bestätigt auch Thomas Bucher: Die Touristen müssten um die neuen Gefahren wissen und gewappnet sein. „Offene Augen zu haben, zu wissen, was am Berg los ist, ist die beste Lebensversicherung.“