Sich gesund essen – geht das? Zumindest bei den Herzkranken scheinen die Vorgaben klar: Wenig Salz, möglichst keinen Alkohol, Fett und Zucker nur in Maßen. Dass herzgesunde Küche nicht nur Verzicht bedeutet, sondern durchaus herzhaft ist – das zeigt der Experte für Mittelmeerküche, Gerald Wüchner.
Rothenburg/Frankfurt - Wenn der Chefkoch zur Pfanne greift, bekommt jeder sein Fett weg: die Zucchini, Kartoffeln und Paprika beispielsweise werden mit einem ordentlichen Schuss Olivenöl angebraten. Und zum Zander? Gibt’s selbst gemachtes Pesto mit Pinienkernen oder etwas Zitronenöl-Marinade. „Essen muss schmecken“, sagt Gerald Wüchner, während er mit gekonntem Schwung das Gemüse in der Pfanne wendet. „Aber es darf nicht krank machen.“
Der Mann hat gut reden: Der 54-Jährige ist Küchendirektor in den ANregiomed Kliniken im Landkreis Ansbach, einem Krankenhauskomplex, in dem Patienten ausschließlich herzgesunde Gerichte serviert bekommen. Ein gallisches Dorf sozusagen in einem Land, dessen Einwohner zuweilen essen, bis der Arzt kommt: Die Ernährung, so heißt es bei der Deutschen Herzstiftung, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Zusammenhang zwischen Überernährung und Arteriosklerose oder Bluthochdruck wurde lange unterschätzt. Und das, obwohl epidemiologische Zahlen recht klar darauf hinweisen, dass übergewichtige und zuckerkranke Menschen eher an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden als schlanke. Inzwischen hat sich in großen Untersuchungen gezeigt, dass auch genetisch vorbelastete Menschen ihr Herzinfarktrisiko senken können, wenn sie ihre Ernährung umstellen.
Ratschläge, wie sich Herzkranke ernähren sollen, kursieren überall – doch was ist wahr?
So kursieren unzählige Ratschläge, wie Herzkranke sich ernähren sollen: keine Eier oder Margarine statt Butter – wegen des Cholesterins. Oder: je weniger Salz, desto besser für den Blutdruck. Und gerne auch mal ein Glas Rotwein. Experten wie Helmut Gohlke, Kardiologe und Ernährungsexperte im Vorstand der Deutschen Herzstiftung, mahnen bei dieser Fülle an vermeintlich guten Ratschlägen zur Vorsicht: Nicht alles sei richtig, sagt der vormals langjährige Chefarzt der Abteilung Klinische Kardiologie II im Herz-Zentrum Bad Krozingen. „Beispielsweise ist der Einfluss von Eiern geringer als lange Zeit vermutet.“ Rotwein hingegen ist als Genussmittel nicht dafür geeignet, um Gefäßkrankheiten vorzubeugen. Die Risiken eines starken Alkoholkonsums seien wesentlich höher. „Statt sich auf einzelne Lebensmittel zu konzentrieren, ist es entscheidender, das Gesamtkonzept der Ernährung umzustellen.“
Mittelmeerküche – Die Ernährungsform der Zukunft?
Doch was soll dann noch auf dem Teller liegen? In der Küche des Krankenhauskochs Gerald Wüchner funktioniert der Speiseplan stets nach dem gleichen Prinzip: Fleisch wird zur Beilage. Stattdessen gibt’s Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte, Obst und Vollkornprodukte. Mittelmeerküche nennt sich diese Form der Kost, von internationalen Herz-Spezialisten als die gesunde Ernährungsform gepriesen wird: Bei Alzheimer soll sie helfen, ebenso bei Krebs. Und gut fürs Herz ist sie auch: So zeigte sich in Studien mit mehr als einer halben Million Menschen, dass diejenigen, deren Ernährungsgewohnheiten der Mittelmeerküche entsprachen, ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten.
Doch trotz des positiven Effekts sind die Deutschen von dieser Art der gesunden Küche noch recht weit entfernt: Der nationalen Verzehrstudie zufolge essen die Bundesbürger beispielsweise pro Tag im Durchschnitt 68 Gramm Gemüse. Empfohlen werden aber 230 Gramm. Wie schwer es ist, lange Jahre hinweg gepflegte Ernährungsgewohnheiten umzustellen, sieht Gerald Wüchner bei seinen Kochkursen: „Die Vorbehalte bei dem Wort herzgesunde Küche sind erst einmal groß“, sagt er. Dass das Fleisch zur Beilage und das Gemüse zur Hauptspeise werden soll, „sehen viele erst einmal als Bruch mit der Esskultur“.
Eine Umstellung bedeutet nicht automatisch Verzicht. Fettarm beispielsweise muss das Essen nicht sein. 2013 zeigte eine spanische Langzeitstudie, dass Menschen, die täglich eine Extraportion Olivenöl oder Nüsse konsumiert hatten, bis zu 30 Prozent weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte erlitten als die Gruppe, die sich fettreduziert ernährt hatte. „Es kommt eben auf das Fett an“, sagt Wüchner, der für die Deutsche Herzstiftung Kochbücher verfasst. Als gesunde Fette gelten mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die beispielsweise in Fischen, Nüssen und eben auch in Olivenöl enthalten sind. Diese Fettsäuren senken den LDL-Cholesterinspiegel, beugen so Ablagerungen in den Gefäßen vor und schützen vor Arteriosklerose, der Arterienverkalkung.
Vermieden werden sollten dagegen gesättigte Fettsäuren, die vor allem in Fleisch und Wurst stecken. Sie sorgen dafür, dass die Entzündungswerte im Fettgewebe ansteigen. Das kann zu Infarkten und Schlaganfall führen. „Ungünstiger sind Transfettsäuren, die entstehen, wenn Öle zu stark erhitzt oder industriell gefertigt werden“, sagt Wüchner. So haben Forscher herausgefunden, dass schon fünf Gramm solcher Transfettsäuren pro Tag das Herzinfarktrisiko um 25 Prozent steigern. Wie schnell diese Menge erreicht ist, zeigt die Herzstiftung auf: Schon eine große Portion Pommes kann 6,8 Gramm Transfettsäuren enthalten.
Selber kochen ist nicht teurer
Entscheidender jedoch als das, was jemand isst, ist die Menge, die er zu sich nimmt: Wer Übergewicht vermeidet, sich regelmäßig bewegt, lebt herzgesünder als jemand, der sich zwar wohlüberlegt ernährt, aber auf Sport verzichtet. Viel Gemüse, viel Bewegung – das Rezept für ein gesundes Leben scheint tatsächlich hauptsächlich nur aus zwei Zutaten zu bestehen. „Viele denken, selber kochen ist aufwendig“, sagt Wüchner. Doch das stimmt nicht: In einer halben Stunde habe man oft schon ein gutes Essen gekocht – was übrigens selten mehr kostet als ein Fertiggericht aus der Tiefkühltruhe.
Welche Lebensmittel sind geeignet, welche nicht?
Fisch: Zwei Fischmahlzeiten pro Woche sind empfehlenswert. Denn Fische sind sehr gute Quellen für Eiweiß, B-Vitamine sowie Mineralstoffe, vor allem für Jod und Kalzium. Zudem enthalten sie viel Omega-3-Fettsäuren. Diese Nährstoffe beugen Ablagerungen in den Gefäßen vor und senken das Risiko für Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Der Ernährungsexperte Gerald Wüchner empfiehlt, Fische beispielsweise nur mit Olivenöl einzupinseln, sie mit Kräutern zu füllen und dann zu braten oder zu grillen.
Brot, Nudeln, Reis: 50 Prozent der täglichen Kalorien sollten durch Kohlenhydrate geliefert werden – am besten durch Vollkorngetreide. Denn gerade in den äußeren Schichten der Getreidekörner befinden sich zahlreiche Stoffe, die als gesundheitsfördernd gelten. Sie mindern das Risiko, an verschiedenen Krebsarten, an Herzleiden und Diabetes zu erkranken. Die Vitamine und Ballaststoffe im Getreide senken zudem den Blutzucker und den Cholesterinspiegel. Eier: 250 Gramm Milligramm Cholesterin enthält ein Ei. Das ist relativ viel. Das meiste Cholesterin im Blut stellt der Körper aber selbst her. Den LDL-Spiegel beeinflusse der Cholesteringehalt eines Lebensmittels weniger als die Art und Menge der Nahrungsfette: So haben tierische und vor allem gehärtete Fette wie die in Croissants, Bratwurst oder Chips viel Cholesterin.
Gemüse: 80 bis 90 Prozent von Gemüse bestehen aus Wasser, es ist meist sehr kalorienarm. Daher sollte man davon mindestens drei Hände voll essen. Außerdem enthält Gemüse Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Sie verringern nicht nur das Herzinfarktrisiko, sondern können zusätzlich den Blutdruck erheblich senken.
Obst: Einmal pro Tag sollte Obst gegessen werden. Neben Vitaminen und Mineralstoffen kommen in allen Obstarten bestimmte Mengen an Antioxidantien vor – das sind Substanzen, die in den Körperzellen gefährliche Moleküle unschädlich machen und somit gesundheitsfördernde Wirkung haben.
Salz: 30 Prozent der Deutschen gelten als „salzsensitiv“, was vermutlich genetisch bedingt ist, aber vor allem auf ältere Menschen, Übergewichtige und Diabetiker zutrifft. Sie lagern bei hohem Salzkonsum mehr Wasser ein, um die Salzkonzentration im Körper zu verdünnen. Die zusätzliche Flüssigkeitsmenge erhöht dann den Druck in den Gefäßen – und es kommt zu Bluthochdruck. Zudem verlieren die Gefäße vermutlich durch Salz ihre Elastizität, was ebenfalls den Blutdruck erhöht. Betroffene können durch eine salzarme Ernährung profitieren. Zucker: 25 Gramm Zucker sollte ein Erwachsener maximal pro Tag zu sich nehmen, heißt es bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Lange Zeit gingen Experten davon aus, dass zuckerreiche Nahrungsmittel und Getränke das Herz vor allem indirekt schädigen – weil sie zu Übergewicht und Diabetes führen. Doch Studien haben gezeigt, dass ein hoher Zuckerkonsum generell das Risiko erhöht, an einem Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken. Ebenso erhöht sich der Blutdruck.
Olivenöl: 30 Prozent des täglichen Energiebedarfs sollten mittels Fett gedeckt werden. Das sind 70 Gramm pro Tag. Wer mehr davon verzehrt und sich zudem wenig bewegt, riskiert Übergewicht – und das ist ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Zudem wird oft das falsche Fett aufgenommen: Wichtig sind einfach ungesättigte Fettsäuren. Diese finden sich vor allem in Olivenöl und Nüssen. Gesunde mehrfach gesättigte Fettsäuren stecken in Fisch, Raps- und Walnussöl.
Wein: Ein Gläschen in Ehren kann auch kein Kardiologe verwehren – oder? Tatsächlich zeigen Studien: Im Vergleich zu Abstinenzlern haben Menschen, die ein wenig Alkohol trinken, ein um 25 bis 40 Prozent geringeres Risiko an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Doch Experten halten Sport und gesunde Ernährung für ratsamer, um sich vor Herzkrankheiten zu schützen. Denn Alkohol hat auch in geringen Mengen ein Suchtpotenzial.