Die Lokführer-Gewerkschaft GDL verhandelt seit Herbst letzten Jahres mit der Deutschen Bahn, die Folge: Streik. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Schon wieder Streik - Fahrgäste der Bahn müssen sich bereits diese Woche wieder auf Ausfälle bei der Bahn einstellen. Warum streikt die Bahn so oft?

Die Lokführergewerkschaft GDL hat wieder zum Streik aufgerufen. Die Arbeitsniederlegungen sollen ab Dienstag (11. März) stattfinden - neben dem Personen- ist auch der Güterverkehr betroffen. Die Bahn will den Streik noch juristisch verhindern. Es wäre der sechste innerhalb der laufenden Tarifverhandlungen.

Nicht nur die Bahn wird regelmäßig bestreikt, auch in verschiedenen Wirtschaftssektoren und Branchen sowie im öffentlichen Dienst kommt es zu Arbeitsniederlegungen. Häufig trifft das aber nur einen Teil der Bevölkerung. Wenn in Kindertagesstätten gestreikt wird, müssen Eltern die Betreuung ihrer Kinder selbst organisieren. Wenn Beschäftigte von Kommunen streiken, merken das häufig nur diejenigen, die an diesen Tagen auch eine Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen.

Wenn eine der Gewerkschaften der Bahn – die meisten Mitglieder haben die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) – dazu aufruft, die Arbeit niederzulegen, dann trifft das verhältnismäßig viele. Auch, weil die Streiks meist flächendeckend und in ganz Deutschland stattfinden. Dementsprechend groß ist der Aufschrei. Die Frage, die sich dann viele stellen: Warum streikt die Bahn so oft? Korrekterweise müsst es heißen: Warum rufen die Gewerkschaften so oft zum Streik auf?

Welche Gründe gibt es für einen Streik bei der Bahn?

Knackpunkt des Konflikts ist immer noch die Forderung, dass Schichtarbeiter künftig für das gleiche Geld weniger arbeiten müssen. Die Bahn hatte bereits einen Kompromissvorschlag akzeptiert, den ein Moderator vorgelegt hatte. Die Arbeitszeit sollte demnach bis 2028 in zwei Schritten auf 36 Stunden gesenkt werden. Die GDL lehnte ab und ließ die Gespräche scheitern. Neue Streiks kündigt sie nun nicht mehr 48 Stunden vor Beginn an, sondern kurzfristiger.

Bei der Bahn wird also aus denselben Gründen gestreikt wie in anderen Betrieben auch. Es geht um bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, häufig vor allem um mehr Geld. Oder wie aktuell um kürzere Arbeitszeiten. Im aktuellen Streit will die GDL in erster Linie erreichen, dass die Wochenarbeitsstunden von 38 auf 35 reduziert werden. Der Arbeitskampf wird offenbar mit besonders harten Bandagen geführt. Bereits Anfang Februar hatten die Lokführer über mehrere Tage gestreikt, dann war eine fünfwöchige Friedenspflicht vereinbart worden. Weil die Verhandlungspartner keinen Kompomiss gefunden haben, endet die streikfreie Zeit nun. Auch unangekündigte Streiks - bisher ein No-Go - sind nicht mehr ausgeschlossen. Die neuen Arbeitskampfmaßnahmen seien ein direkter Affront gegen Fahrgäste, kritisierte der Pro-Bahn-Vorsitzende Detlef Neuß im Deutschlandfunk. Er nahm auch den DB-Vorstand und den Bund als Eigentümer der Bahn in die Pflicht.

Hintergründig haben Arbeitskämpfe die Funktion auf die Situation der Beschäftigten aufmerksam zu machen. Je mehr Kunden davon genervt werden, desto größer die Aufmerksamkeit. Zudem wird auf den Verhandlungspartner Druck aufgebaut. Die GDL unter ihrem Vorsitzenden Claus Weselsky gilt dabei als besonders streiklustig. Kritiker führen bei den derzeitigen Verhandlungen ins Feld, dass die GDL an ihren Maximalforderungen festhält und sich nicht auf den Konzern zubewegt.

Die EVG hat sich erst im August mit der Bahn geeinigt

Bei der Bahn kommt die Konkurrenzsituation der beiden Gewerkschaften hinzu. Ob es die Mitglieder der EVG oder die der GDL sind, die nicht zur Arbeit erscheinen, ist für die Bahnreisenden letztlich egal. Für sie zählt nur, dass der Zug nicht kommt und sie (bisweilen) ratlos am Gleis stehen. Das Problem verschärft sich dadurch, dass EVG und GDL zwar regelmäßig das komplette Land lahmlegen, aber nie gemeinsam streiken. Die Mitglieder der EVG hatten in diesem Jahr bereits zweimal gestreikt. Eine Einigung kam Ende August erst nach einem zweiwöchigen Schlichtungsverfahren zustande.

Wie oft gestreikt wird, hängt auch maßgeblich von der Laufzeit der Tarifverträge ab. Den Gewerkschaften ist immer daran gelegen, diese möglichst kurz zu halten, weil sie dann relativ schnell neue Konditionen aushandeln können. So lässt sich beispielsweise auch auf Entwicklungen wie steigende Inflation reagieren. Im aktuellen Streit hatte die Bahn zunächst eine Laufzeit des neuen Vertrags für 32 Monate vorgeschlagen. Das war der GDL deutlich zu lang.

Für diese Woche hat die GDL neuerliche Streiks angekündigt und damit ein Angebot der DB ausgeschlagen. Im Dezember hatte es bereits Warnstreiks gegeben. Nun soll deutlich länger gestreikt werden, 97 Prozent der GDL-Mitglieder hatten sich für einen unbefristeten Arbeitskampf ausgesprochen. In einer Mitteilung der Gewerkschaft hieß es, der Konzern habe "den Weihnachtsfrieden nicht genutzt, um mit einem verhandlungsfähigen Angebot Arbeitskampfmaßnahmen entgegenzuwirken." Die Bahn hat einen Notfallfahrplan aufgestellt und kurzfristig versucht, den Streik noch auf rechtlichem Wege abzuwenden. 

Zwei Gewerkschaften buhlen um Mitglieder

Bis zum Jahr 2002 hatten drei Bahngewerkschaften eine Tarifgemeinschaft gebildet. Die Interessen gingen aber weit auseinander, weshalb sich die Beamtengewerkschaft und die damalige Transnet zur EVG zusammenschlossen. Die GDL verhandelt seither alleine mit der Bahn – vier Jahre nach dem Zerwürfnis setzte sie erstmals einen eigenen Tarifvertrag für Lokführer durch.

Der Tonfall zwischen den Gewerkschaftsspitzen ist zuletzt wieder rauer geworden. Ein Grund: das Tarifeinheitsgesetz (TEG) aus dem Jahr 2015. Demnach gilt in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Im Fall der Bahn ist das die EVG. Bis 2020 umging die Bahn diese Vorgabe mit einem Grundlagenvertrag mit den beiden Kontrahenten. Den wollte die GDL nicht mehr verlängern. Die harte Streikpolitik der GDL ist deshalb auch darauf zurückzuführen, dass sie um neue Mitglieder buhlt.

Wo wird am häufigsten gestreikt?

Nach Angaben des statistischen Bundesamts fielen im vergangenen Jahr je 1000 Beschäftigte durchschnittlich 6,4 Arbeitstage durch Streiks aus. Im Vorjahr waren es 9,1 gewesen. Der Rekord stammt aus dem Jahr 2015 mit 28,2 Ausfalltagen. Damals hatte auch das Bahnpersonal mehrfach die Arbeit niedergelegt. „Die Zahl der Streiktage ist abhängig von der Zahl und Größe der streikenden Branchen. Die Auswirkungen der Streiks, vor allem die Wirkung auf die Bevölkerung sind sehr unterschiedlich“, heißt es vom statistischen Bundesamt.

Am meisten gestreikt wurde im vergangenen Jahr im verarbeitenden Gewerbe. Dieser Bereich kam 2022 durchschnittlich auf 47,2 Ausfalltage je 1000 Arbeitnehmer. Im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe – darunter fällt auch die Bahn – betrug der Wert 9,5 Tage (Platz 3). Noch höher war er im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistung (14,7). Dahinter rangieren beispielsweise noch öffentliche und sonstige private Dienstleister (6,8). „In den meisten Wirtschaftszweigen traten Streiks nur temporär auf, während in vielen Jahren gar keine Arbeitsausfälle zu verzeichnen waren. Häufig sind sie für die Öffentlichkeit kaum zu spüren. Aufmerksamkeit erregen regelmäßig bei wiederkehrenden Tarifverhandlungen die Streiks im Produzierenden Gewerbe, im Verkehrsbereich oder im öffentlichen Dienst“, heißt es.