Zum Tag der Arbeit liefern sich die Gewerkschaften einen verbalen Schlagabtausch mit den Arbeitgebern. Die provokante Vorlage des Arbeitgeberpräsidenten nutzen DGB, IG Metall, Verdi & Co. zum vielstimmigen Konter.
Zum Tag der Arbeit sind die in der Krise völlig konträren Grundhaltungen von Gewerkschaften und Arbeitgebern direkt aufeinander geprallt. Schon am frühen Morgen hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger den Gewerkschaften per Pressemitteilung zugerufen: „Arbeit ist viel mehr als eine Notwendigkeit, dies muss am 1. Mai wieder stärker in den Fokus gerückt werden“. Es gebe „keinen anstrengungslosen Wohlstand“. Und „Wertschöpfung entsteht in privaten Unternehmern“. Deutschland diskutiere zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit und zu wenig über den Wert von Arbeit. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit“, mahnte der Heidelberger.
Das quasi hunderttausendfache Echo kam von den Plätzen der Republik, wo der Gewerkschaftsbund seine Mai-Kundgebungen unter das Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“ gestellt hatte. Laut dem DGB haben sich 330 000 Menschen an 450 Veranstaltungen beteiligt – allein in Baden-Württemberg 24 000 Menschen.
Arbeitsminister Heil soll endlich liefern
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ging in Hannover zum Gegenangriff über: In Deutschland würden jährlich zwischen 1,3 und zwei Milliarden Überstunden geleistet, weit mehr als die Hälfte davon unbezahlt. Angesichts dessen sei es „respektlos“, wenn einige darüber fabulierten, man müsse den Menschen „Lust auf Arbeit“ machen, sagte sie an die Adresse der Arbeitgeberverbände. „Dann wird so getan, als wären die Beschäftigten faul und wenig leistungsbereit – das geht an jeder Realität vorbei.“ Zudem mahnte sie das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seit Langem angekündigte Bundestariftreuegesetz an und bezifferte den volkswirtschaftlichen Schaden, den Arbeitgeber durch Flucht aus Tarifabkommen verursachten, mit 130 Milliarden Euro jährlich.
IG-Metall-Chefin Christiane Benner legte in Erfurt nach: „Als Gewerkschaft setzen wir alle Kraft daran, den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu gestalten“, sagte sie. „Hier sind die Unternehmen in der Verpflichtung.“ Sie forderte die Arbeitgeber auf: „Bekennt euch zum Standort Deutschland und investiert hier – auch durch Qualifizierung der Beschäftigten auf neue Arbeitsplätze.“ Gefragt seien klare Zukunftsstrategien, Betriebsvereinbarungen, die Standorte sichern sowie mehr Mitbestimmung.
Gewerkschaftliche Warnung vor der AfD
Ein zentrales Anliegen war es, den Menschen in den Betrieben vor den anstehenden Wahlen ins Gewissen zu reden. „Ich verstehe so manchen Frust mit der Politik – wenn man nicht mehr die Zuversicht hat, dass es aufwärts geht“, sagte Benner. Es sei keine Lösung, seine Stimme den Rechtsextremen zu geben. „Die AfD vertritt nicht die Interessen der Beschäftigten; sie will Steuererleichterungen für Großverdiener – nicht für euch.“
Per Videobotschaft schaltete sich Kanzler Olaf Scholz ein, um Forderungen nach einer längeren Lebensarbeitszeit zurückzuweisen. Ihn ärgere es, „wenn gefordert wird, das Renteneintrittsalter anzuheben“, sagte er. „Es ist eine Frage des Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen.“