Softwarespezialisten (hier bei Daimler) gehören in der Metall- und Elektroindustrie künftig zu den besonders gefragten Berufen – die Frage wird sein, wie viele Beschäftigte sich in diese Richtung qualifizieren lassen. Foto: Daimler AG

Eine neue Studie liefert IG Metall und Südwestmetall Erkenntnisse über die künftig gefragten Kompetenzen. Allerdings müssen sie noch Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten.

Stuttgart - „3-D ist das neue Zauberwort am Arbeitsmarkt: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie“, sagt Christian Rauch, Baden-Württembergs Regionalchef der Bundesagentur für Arbeit. Die Zahlen würden deutlich zeigen: „Firmen, die überdurchschnittlich in Technik und zugleich in Weiterbildung investieren, sind mittelfristig wirtschaftlich erfolgreicher – allein in die Technik zu investieren, bringt es nicht.“ Die vielfach geäußerte Frage in den Betrieben, auf welche Kompetenzen hin weitergebildet werden solle, beantwortet nun eine von Südwestmetall und IG Metall initiierte Studie. „Das sind Angebote, die man nicht ablehnen sollte“, rät Rauch den Firmen.

 

Eine Million zusätzlicher technologischer Fähigkeiten

Eine zentrale Erkenntnis der Erhebung lautet: Allein bei 710 000 Beschäftigten in vier Schlüsselbranchen der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie werden in den nächsten fünf Jahren mehr als eine Million zusätzlicher technologischer Fähigkeiten (Skills) benötigt, um künftigen Aufgaben begegnen zu können. Die Studienleiterin Julia Klier von der Universität Regensburg übersetzt diese Zahlen: „Ein Drittel aller Beschäftigten hat einen zusätzlichen Bedarf an digitalen Schlüsselqualifikationen.“ Im Fokus stehen Zukunftsfelder wie die softwaregestützte Steuerung von Geschäftsprozessen, Datensteuerung, Künstliche Intelligenz und Datensicherheit. Für ihre Erhebung hatten Regensburger und Ulmer Forscher mehr als eine Million Stellenanzeigen aus den Jahren 2018 bis 2020 ausgewertet. Hinzu kam eine qualitative Umfrage unter 245 Unternehmen.

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Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) setzt darauf, „dass die Studie einen Weiterbildungsschub bei den kleinen und mittleren Unternehmen erreichen kann“. Laut Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, bieten die Resultate einen „hervorragenden Überblick, welche Kompetenzen künftig gefragt sind und wohin qualifiziert werden muss“.

Schwächen bei der Weiterbildung in den Betrieben

Allerdings rätseln Arbeitgeberverband und IG Metall seit Jahren über die Weiterbildungsbereitschaft in den Betrieben. Dick mahnt: „Wir müssen ein paar mehr Arbeitnehmern klarmachen, dass Weiterbildung wichtiger ist als in der Vergangenheit.“ Er kenne Beispiele, wo die Arbeitgeber Angebote gemacht hätten und diese aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend angenommen worden seien. Unbestritten sei aber auch, dass es gerade bei den kleineren und mittleren Betrieben „manchmal zu wenig Engagement seitens der Arbeitgeber gibt“ – in der Annahme, dass das Produkt und die Produktionsweise noch sehr lange tragen werden. Mitunter fehle auch das Geld und Zeit zum Qualifizieren.

IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger zeigt ebenfalls Selbstkritik: Trotz ihrer Einflussmöglichkeiten stellt er bei den Arbeitnehmervertretern zuweilen eine „zu große Zurückhaltung“ fest: „In zu vielen Betrieben“ forderten sie die Qualifizierung nicht offensiv ein. Umgekehrt gelte aber nach wie vor das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Wer zweimal im Jahr eine Online-Weiterbildung wahrnehme, der habe einen anderen Zugang dazu als der, „der nach seiner Ausbildung in 30 Jahren so gut wie nichts gemacht hat“.

Möglichst alle Beschäftigte mitnehmen

Zitzelsberger rät zu einer „Alphabetisierungskampagne für Digitalisierung“: „Wo stehen die Leute, und was müssen sie wissen?“ Der große Sprung funktioniere im Regelfall nicht – „aber ein bis zwei Schritte weiter kann hier auch das Konzept sein“. In der Studie werde zudem deutlich: „Es geht nicht darum, den Spezialisten noch weiter zu spezialisieren – vielmehr müssen wir angesichts der Größe der Veränderung die Aktivitäten überall starten.“ Dieses Anliegen will er in den eigenen Reihen vorantreiben.

Auch auf dem tarifpolitischen Feld wollen die Sozialpartner reagieren. So soll der 20 Jahre alte Tarifvertrag Qualifizierung auf den Prüfstand gestellt werden, ob er noch zu den heutigen Herausforderungen passt. „Es würde sich lohnen, die Praxistauglichkeit des Tarifvertrags mit der Studie abzugleichen“ sagt Zitzelsberger. Ob die Weiterbildung auch in der Tarifrunde 2022 eine Rolle spielen solle, das sei noch offen – dies müsse jede Tarifvertragspartei zunächst für sich bewerten.

Enger Austausch der Ministerinnen

IG Metall und Südwestmetall geben zwölf Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Kompetenzen, die sich alle auf den Bildungsbereich beziehen. Hoffmeister-Kraut verspricht einen intensiven Austausch über die erforderlichen Maßnahmen mit den Ministerinnen für Schulen und Wissenschaft. „Wir machen das ganz eng abgestimmt.“

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