Nach 13 Jahren an der Spitze der Unions-Bundestagsfraktion abgewählt: Volker Kauder Foto: Public Address

Die Abwahl Volker Kauders wird von CDU-Politikern aus dem Land als Schwächung des baden-württembergischen Einflusses in Berlin gewertet. Der Ruf nach Kompensation wird laut.

Stuttgart - Die Abwahl Volker Kauders als Unionsfraktionsvorsitzender hat namhafte CDU-Politiker im Land negativ überrascht. „Das war kein guter Tag für die CDU-Landesgruppe“, sagte die Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag unserer Redaktion. „Ich persönlich bedauere das Ergebnis menschlich wie politisch. Ich bin kein Freund der Revolution, sondern des geordneten Übergangs“. Volker Kauder habe keine Fehler gemacht. Maag, die den Wahlkreis Stuttgart II vertritt und selbst dem Fraktionsvorstand angehört, sagte, sie hätte einen anderen Wahlausgang erwartet. Offenbar habe jedoch der Wunsch nach Erneuerung eine Rolle gespielt. Die Wahl von Ralph Brinkhaus sei jedoch „keine Wahl gegen Angela Merkel“. Der künftige Fraktionschef habe eine konstruktive Zusammenarbeit versprochen, sich jedoch auch als Kandidat präsentiert, der für Verjüngung stehe. Kauder habe auf die Niederlage „honorig“ und wie ein guter Demokrat reagiert. Man müsse sich nun in der von dem Konstanzer CDU-Abgeordneten Andreas Jung angeführten Landesgruppe darüber unterhalten, wie es weitergeht. Kauder habe dafür gesorgt, dass das Land in Berlin gut positioniert sei. „Er war immer auch Baden-Württemberger“, sagte Maag. „Bei der nächsten Kabinettsumbildung wird Baden-Württemberg Ansprüche stellen müssen.“ Dies könnte der Fall sein, wenn nach einer für die CSU schlecht laufenden Bundestagswahl Mitte Oktober Innenminister Horst Seehofer seinen Platz räumen müsste.

„Der Verlust eines wichtigen Postens für die Landes-CDU“

Stefan Kaufmann, ebenfalls CDU-Bundestagsabgeordneter (Wahlkreis Stuttgart I), sagte, die Abwahl Kauders sei nicht erwartbar gewesen. Brinkhaus habe eine gewisse Stimmung in der Fraktion angesprochen. „Es ging auch um die Frage des Selbstbewusstseins der Fraktion gegenüber der Bundesregierung.“ Es wäre jedoch ein Fehler, zu viel in die Wahl hineinzuinterpretieren. Die CDU-Landesgruppe selbst habe solidarisch hinter Kauder gestanden. Die Südwest-CDU sieht der Stuttgarter Abgeordnete jetzt deutlich schwächer in Berlin vertreten. „Der Fraktionsvorsitz ist mit einem Ministerposten vergleichbar“, sagte Kaufmann. „Die Abwahl Kauders bedeutet für uns den Verlust eines wichtigen Postens“, sagte Kaufmann. Als Kompensation brachte er den bisher von Brinkhaus besetzten Posten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ins Spiel über, den in den nächsten zwei bis drei Wochen entschieden werde. „Das wäre das Mindeste.“

„Kauder musste die Suppe auslöfflen“

„Das Ergebnis war knapp, aber eindeutig. Für Volker Kauder tut es mir vor allem menschlich sehr leid“, erklärte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Thomas Bareiß. „Demokratie ist manchmal sehr hart. Diese Niederlage hat er nach 13 Jahren seines enormen Einsatzes für die Fraktion nicht verdient.“ Gleichzeitig stehe man vor großen Herausforderungen. „Wir können uns jetzt keinen Durchhänger leisten. Daher schauen wir nach vorne.“ Der Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich: „Volker Kauder musste die Suppe auslöffeln, die ihm Merkel und Seehofer eingebrockt haben.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Rathaus, Alexander Kotz, sprach ebenfalls von einem „Verlust für Baden-Württemberg und für die Landeshaupstadt“. Kauder, der den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen im Bundestag vertritt, sei für das Land ein wichtiges politisches Pfund in Berlin gewesen. Andererseits zeige der Wahlausgang, „dass die CDU lebt und Wahlen kein Automatismus sind“. Bundeskanzlerin Merkel verliere mit Kauder „einen langjährigen eingespielten Partner“. Das mache ihre Arbeit in der jetztigen Zeit nicht leichter. Kotz vermutet, der Wahlausgang werde in der CDU einen „Prozess des Nachdenkens“ auslösen. „Kauder hat die Unzufriedenheit mit der Performance der Bundesregierung in den letzten Wochen und Tagen zu spüren bekommen.“ Eine gewisse Erneuerung schade nicht.

Ute Vogt: „Basta-Typen sind in der Politik out“

Ute Vogt (SPD), die für den Wahlkreis Stuttgart I im Bundestag sitzt und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion ist, sagte unserer Redaktion, das Ergebnis habe sich in den letzten Tagen abgezeichnet. „Nach meinen Gesprächen mit CDU-Kollegen habe ich fast darauf gewettet.“ Sie habe Volker Kauder als verlässlichen Partner kennengelernt. Er stehe aber auch für eine „Basta-Politik, und Basta-Typen sind in der Politik out.“ In der Wahl von Brinkhaus drücke sich der Wunsch vieler CDU-Bundestagsabgeordneten aus, dass die Bundeskanzlerin „kommunikativer wird. Dafür haben sie ein Ventil gesucht“. Damit würde es die Fraktion jedoch vermutlich bewenden lassen. „Zumindest der CDU-Teil.“

Der Stuttgarter SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Körner sagte: „Aus meiner Sicht zeigt das Wahlergebnis, dass die Unionsfraktion von der sozialdemokratischen Bundeskanzlerin genug hat – das Regieren wird nicht leichter.“