Ulrich-Michael Weiß und sein Sohn Oliver streiten sich selten über Politisches. Foto: T. Baur

Oliver und Ulrich-Michael Weiß setzen sich beide im Bezirksbeirat für die Belange von Stuttgart-Degerloch ein, wenn auch mit verschiedenen Parteibüchern in der Tasche. Sind die Familienbande stärker als die politischen Gegensätze?

Degerloch - Als Ulrich-Michael Weiß vor mehr als 40 Jahren gegen Ende seines Jurastudiums in die SPD eintrat, war die Welt noch eine ganz andere, und die Sozialdemokraten eine ganz andere Partei. Damals faszinierte ihn die Ostpolitik Willy Brandts und die gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesse, die im Gang waren. Ob er den Genossen im Jahr 2018 noch einmal beitreten würde? „Wahrscheinlich schon“, sagt er, schränkt aber ein: „Hundertprozentig stimmt man sowieso nie mit der Ausrichtung einer Partei überein“, so sei es bei ihm auch.

Als sein Oliver vor zwei Jahren der FDP beitrat, war das kein Schock für den Vater. „Wirtschaftswissenschaftler tendieren eher zur FDP“, so Ulrich-Michael Weiß – Oliver hat Volkswirtschaft studiert. Die FDP stelle sich geschickt als Partei dar, die Antworten auf Digitalisierung und Globalisierung findet. Er verstehe schon, dass das junge Menschen anspreche, so Ulrich-Michael. Ein Vollblut-Freidemokrat ist Oliver Weiß, der sich mit einem Studienfreund im Bereich Personalvermittlung selbstständig gemacht hat, jedoch nicht unbedingt. Seine Parteiwahl, für die er sich lange Zeit genommen hat, beschreibt der 28-Jährige nüchtern. „Mit der FDP gab es die größte Schnittmenge.“ Die freiheitliche Grundausrichtung der Partei gefalle ihm. Im Vordergrund stehe aber das gesellschaftliche Engagement, das er bereits als Schülersprecher und Mitglied im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) gepflegt hat.

Parteipolitik spielt eine untergeordnete Rolle

Mit Ende 20 ist Oliver Weiß künftig das jüngste Mitglied im Bezirksbeirat – die meisten Mitglieder sind deutlich älter. „Viele Leute in meinem Alter wissen gar nicht, dass es so etwas wie den Bezirksbeirat überhaupt gibt“, sagt Oliver Weiß, zumal Degerloch eben eine ältere Bevölkerungsstruktur habe. Trotzdem – oder gerade deswegen – wünscht er sich mehr jüngere Mitstreiter, die dem Bezirk Impulse geben. Er selbst steckt in den Themen des Bezirks noch nicht so tief drin wie sein Vater. Ideen hat er aber genug für Stadt und Bezirk – nicht zuletzt, weil er zwei Jahre in Kopenhagen gelebt hat, die Stadt, die wegen ihrer vergleichbaren Größe gern als Vorbild für Stuttgart angeführt wird. „Was Städtebau, Architektur oder Mobilität angeht, kann sich Stuttgart noch stark weiterentwickeln“, sagt Oliver Weiß.

Ob sich Vater und Sohn auch mal richtig fetzen über politische Themen? Da müssen beide lang überlegen. „Dass die FDP die Koalitionsgespräche hat platzen lassen, fand ich gar nicht gut“, fällt Vater Weiß ein, während sich Oliver in der Sache bedeckt hält. Doch im Bezirksbeirat spiele die Parteipolitik sowieso eine untergeordnete Rolle: Auf 25 Prozent taxiert Ulrich-Michael Weiß deren Gewichtung. „Manchmal kommt die Weltanschauung aber schon durch, klar.“ Die meisten Fragen aber erfordern pragmatische, auf Degerloch zugeschnittene Lösungen. Künftig werden daran zwei Weiß-Generationen arbeiten – in unterschiedlichen Fraktionen, aber doch irgendwie zusammen.