Mit diesem Band können Baumbesitzer ihr Obst zur Ernte freigeben. Foto: Landratsamt Böblingen

Mit bunten Bändern können Baumbesitzer signalisieren, dass kostenlos geerntet werden darf. Doch die gelb-orangen Markierungen wurden in den vergangenen Jahren rund um Leonberg und im Strohgäu nur selten genutzt.

Wo an einem Baum ein gelb-oranges Band leuchtet, darf geerntet werden: In den Rathäusern des Landkreises Böblingen werden ab Anfang September wieder die sogenannten Ernte-Bändel ausgegeben. Mit ihnen können Besitzer und Bewirtschafter von Streuobstwiesen Bäume markieren und damit signalisieren, dass hier jeder kostenlos pflücken darf. Die Erntebänder sind aus reißfestem Papier, das mit der Zeit von selbst verrottet. Die Idee soll dazu führen, dass mehr Streuobst verwertet wird, anstatt zu verkommen. Sowohl Kommunen als auch Privatpersonen können ihre Bäume kennzeichnen.

Im Landkreis läuft die Aktion bereits zum vierten Mal. „Es ist super, wenn Leute das auflesen, was andere nicht nutzen“, sagt Manfred Nuber von der Fachberatungsstelle für Obst- und Gartenbau des Landratsamts. Doch die Nachfrage nach den Bändern war in den vergangen Jahren verhalten. Laut Nuber werden die Markierungen zu wenig genutzt. „Es verfault immer noch viel Obst. Die Besitzer ernten selbst nicht und nutzen keine Bänder“, erklärt er.

Geringe Nachfrage im Landkreis Böblingen

Das zeigt sich auch an der Zahl der Bänder, die das Landratsamt in den vergangenen Jahren vergeben hat. Bisher wurden die Bänder nur auf direkte Anfrage an Gemeinden und Privatpersonen verteilt, in diesem Jahr erhalten erstmals alle Gemeinden ohne Anfrage Bandrollen, wie das Landratsamt auf Nachfrage mitteilt. 2020, im ersten Jahr der Aktion, seien insgesamt etwa drei Bandrollen zur Markierung von 80 Bäumen verteilt worden. 2021 waren es etwa sechs Bandrollen, dies würde für 160 Bäume reichen. Mit 24 vergebenen Rollen hätten sich im vergangenen Jahr 300 bis 400 Bäume markieren lassen. Zwar wurden über die Jahre mehr „Ernte-Bändel“ ausgegeben – nach Einschätzung des Landratsamtes könnten aber eigentlich einige Tausend Bäume freigegeben werden.

Auch bei Kommunen, die die Bänder vor Ort verteilen, blieb der große Ansturm bisher aus. In der Stadt Rutesheim, die sich seit Beginn der Aktion beteiligt, wurden im vergangenen Jahr laut Bürgermeisterin Susanne Widmaier fünf Bänder ausgegeben. „Wir würden uns wünschen, dass mehr mitmachen“, sagt sie. In Weil der Stadt war das Interesse an Bändern bisher ebenfalls relativ gering, wie die Stadt mitteilt.

Besitzer wissen nichts von den Erntebändern

„Die, die ihre Bäume problemlos freigeben könnten, erreicht es oft nicht“, erklärt sich Manfred Nuber die geringe Beteiligung. Er vermutet, dass viele Flächen vererbt wurden an Personen, die gar nicht in der Umgebung leben. „Sie behalten die Wiesen, aber schauen nicht danach und bekommen von solchen Aktionen nichts mit“, erklärt Nuber. Dabei ist das Interesse daran, Bäume auf Streuobstwiesen abzuernten, eigentlich groß. „Viele fragen, wo denn Bäume mit diesem Band stehen“, sagt er.

Auch in anderen Landkreisen sind Kommunen bei ähnlichen Aktionen dabei. Im Kreis Ludwigsburg, einer Hochburg des Streuobstanbaus, beteiligen sich Korntal-Münchingen, Ditzingen und Gerlingen. In Ditzingen läuft die Aktion schon seit Mitte Juni. In Bezug auf städtische Bäume komme sie gut an, bei privaten Bäumen halte es sich in Grenzen, wie die Stadtverwaltung mitteilt. „Letztes Jahr war die Aktion nur von geringem Erfolg“, sagt auch Helmut Bier, erster Vorsitzender des OGV Ditzingen. „Der Ernte-Bändel ist eine gute Sache, aber er funktioniert bei uns nicht.“ In Gerlingen gebe es durchweg positive Rückmeldungen zu der Aktion, so die Stadtverwaltung. Aber auch hier ist die Beteiligung gering, es wurden letztes Jahr nur zehn Bänder abgeholt.

Ist die Aktion zu anonym?

In Gerlingen gibt es auch noch eine andere Strategie, um sicherzustellen, dass das Obst von den Bäumen kommt. Lucetta Amos von der Lokalen Agenda leitet schon im dritten Jahr die Obstbörse: Dabei vermittelt sie Personen, die Früchte pflücken wollen, an solche, die ihre Bäume zur Verfügung stellen. „Ich habe bestimmt 40 Ernter“, sagt Amos.

Die Erntebänder sieht sie allerdings kritisch. „Das ist alles so anonym“, erklärt Amos. Wer bei der Obstbörse ernten will, muss erst schriftlich versichern, sorgsam mit den Bäumen umzugehen und selbst zu haften, wenn beim Pflücken etwas passiert. So könne man die Leute in die Pflicht nehmen, erklärt Amos. Bei den Erntebändern sei dies nicht gegeben. Außerdem habe sie schon mitbekommen, dass Leute Bänder umgehängt und dann an nicht freigegebenen Bäumen geerntet hätten.

Noch besser als Pflücken ist Pachten

Die Kreis-Obst- und Gartenbauberatungsstelle im Landratsamt Ludwigsburg sieht die Erntebänder grundsätzlich positiv, wie das Landratsamt mitteilt. Wer eine Wiese betrete und Obst ernte, tue das immer auf eigene Gefahr. Dass Menschen Erntebänder einfach umhängen, sei in anderen Kreisen in Einzelfällen schon beobachtet worden. Im Kreis Ludwigsburg sind bislang keine Beschwerden dazu bekannt.

Laut Manfred Nuber ist neben der Verwertung des Obstes ein zweiter Baustein für die Streuobstwiesen wichtig: „Für die Erhaltung der Wiesen wäre es noch besser, wenn die Leute eine Streuobstwiese pachten würden, sodass der Bestand gepflegt und neue Bäume gepflanzt werden.“ Grundstücke zum Verkaufen und Pachten werden ebenfalls über die digitale Börse vermittelt.

Digitale Börse Die Landratsämter Ludwigsburg und Böblingen verweisen auf die digitale Streuobstwiesenbörse als noch bessere Möglichkeit, Obst zur Ernte anzubieten oder etwas zum Pflücken zu finden. Im Internet kommen unter www.streuobstwiesen-boerse.de Baum und Ernter zusammen.

Hier bekommt man die Erntebänder

Im Rathaus abzuholen
Besitzer und Bewirtschafter von Streuobstwiesen, die etwas von ihrer Ernte abgeben möchten, bekommen die Erntebänder am Rathaus. In Weil der Stadt können sie in der Stadt- und Tourist-Info am Marktplatz 5 abgeholt werden. In Rutesheim werden die Bänder von Tanja Kilper im Vorzimmer des Ersten Beigeordneten Martin Killinger ausgegeben. Für Ditzinger Besitzer von Streuobstwiesen sind die gelb-orangen Markierungen bei den Bürgerämtern im Rathaus und den Verwaltungsstellen erhältlich. In Gerlingen gibt es die Ernte-Bändel in der Zentrale im Rathaus.