Der CSU-Chef und sein Wahlkampf-Manager: Horst Seehofer und Markus Blume Foto: dpa

Die CSU äußert vor der entscheidenden Vorstandssitzung am Sonntag verhaltene Zustimmung zu den Brüsseler Asyl-Vereinbarungen. Edmund Stoiber sieht gar die Wende erreicht. Die Schlüsselfrage aber stellt ein anderer.

München - Aschheim – diese Speckgürtel-Gemeinde kennt man in Bayern fast nur von den alltäglichen Staumeldungen für die östliche Autobahn-Umfahrung Münchens. Hier trifft sich an diesem Samstag die Junge Union Oberbayern, der größte Nachwuchsverband innerhalb der CSU. Die etwa 200 Delegierten sollen laut Tagesordnung über Familienpolitik reden – es interessiert sie nicht besonders. Das andere Thema, auch wenn am Ende zwei Jungpolitiker sagen, es hänge ihnen „zum Hals raus, weil es den Blick auf wichtige Sachen verstellt“, das überlagert alles: die Migration und der Streit der Unionsparteien.

Was ist beim EU-Gipfel in Brüssel herausgekommen? Wie geht’s weiter: gemeinsam mit der CDU? Allein? Ilse Aigner ist da, die Hausherrin in der CSU Oberbayern und stellvertretende Ministerpräsidentin in Bayern. Sie spricht von „einer der schwierigsten politischen Situationen in meinem Leben“. Auch wenn es Vormittag ist und sie den Brief der Kanzlerin an die Unions-Abgeordneten zeitlich noch nicht kennen kann: Ilse Aigner klingt zunächst einmal recht optimistisch. Sie wirbt für einen weicheren Kurs: „Viel mehr, als wir uns 2015/16 hätten vorstellen können“, sei in der Migrationsfrage mittlerweile erreicht worden: „Es wurden Fehler korrigiert, vielleicht nicht immer in aller Öffentlichkeit, aber sie wurden korrigiert.“ Und weil die CSU im Bund und in Europa „hart in der Sache“, sowie durch „massives und geschlossenes Auftreten so viel Druck aufgebaut“ habe, laufe nun auch bei der EU „vieles in die richtige Richtung.“

Läuft alles? Scheitert alles?

Zwischendurch klingt Ilse Aigner gerade so, als laufe jetzt, nach Brüssel, alles schon auf Schienen; dann wieder stellt sie das ganze Konstrukt wieder in Frage: Die Rücknahme-Vereinbarungen mit einzelnen Ländern, „die wird unser Horst Seehofer machen müssen“, sagt sie – im gleichen Atemzug aber auch: „Ich kann euch noch nicht sagen, wie wir im Parteivorstand morgen über Zurückweisungen entscheiden werden.“ Ist sie nun optimistisch für den Unionsfrieden oder nicht? „Ich hoffe, dass wir das gemeinsam machen“, sagt sie beim Hinausgehen, schon auf der Treppe. Und darf Bundeskanzlerin Merkel weiterregieren? „Auch das werden wir morgen ausmachen.“

Der Fröhlichste von allen ist Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der CSU und auch mit 76 Jahren noch ganz der Alte. Nach fünf Minuten Rede reißt er sich das Sakko vom Leib; im Schwung seiner Gesten klirrt das Wasserglas zu Boden. Die jungen Leute hängen an seinen Lippen. Stoiber sieht in der Brüsseler Erklärung schlechthin die Wende in der Flüchtlings- und Migrationsfrage: „Das ist schon ein Wahnsinn.“ Viel mehr sei erreicht worden, „als ich selber gehofft und mir vorgestellt habe.“ Was Merkel da mitbeschlossen habe, sei „das Gegenteil von dem, was 2015 praktiziert worden ist.“ Ja gar: „Wir haben den Leuten versprochen, 2015 werde sich nicht wiederholen. Jetzt sind wir an dem Punkt, wo 2015 überwunden ist. Das müssen wir jetzt nutzen!“

Die Schlüsselfrage

Es ist nach 15 Uhr; Stoiber könnte Merkels Brief an die Union kennen, nur erwähnt er ihn mit keinem Wort. Restlos überzeugt jedenfalls ist auch er noch nicht. Was da in Brüssel vereinbart worden sei: „Was heißt das alles? Das muss Seehofer, das müssen wir morgen im Parteivorstand politisch abwägen.“ Überhaupt: Ist das alles – wie von der CSU gefordert – „wirkungsgleich“ mit den Seehofer’schen Zurückweisungen an der Grenze? Stoiber wird von der Jungen Union zwar mit rhythmischem Applaus verabschiedet – aber die Frage, wie der CSU-Vorstand an diesem Sonntag entscheiden könnte, die hat auch er nicht beantwortet.

Es ist CSU-Generalsekretär Markus Blume, der als letzter Redner die Schlüsselfrage für die Diskussion beim Parteivorstand aufwirft. Er gibt zwar zu, beim EU-Gipfel sei „viel erreicht worden; das war am Anfang nicht abzusehen.“ Aber dann spricht er zunächst weiter, als hätte es Brüssel nie gegeben: „Die Menschen bei uns haben das Gefühl, sie könnten abends bei uns nicht mehr so ruhig auf die Straße gehen wie früher; sie haben das Vertrauen verloren, dass der Staat Recht und Gesetz durchsetzen kann.“ Dafür sei erst eine „Asylwende“ nötig, „ein ganzes Bündel von Maßnahmen.“ Brüssel scheint dem CSU-General also nicht zu reichen. Er hat den 14. Oktober im Blick, die Landtagswahl. Für Blume ist damit nur eines entscheidend: „Schaffen wir es auch kurzfristig, der Bevölkerung das Gefühl zurückzugeben, dass wir die Sache im Griff haben?“

Es gehörte am Wochenende wenig prophetische Gabe dazu, bei aller ebenso erstaunter wie verhaltener Zustimmung der CSU genau dies als die Leitfrage für die entscheidende Diskussion am Sonntag zu betrachten: Nützt uns das alles noch für die Landtagswahl oder werfen wir besser gleich den ganzen Tisch um?