Im neuen Gerichts-Drama von Ferdinand von Schirach spielen Ina Weisse und Godehard Giese ein ehemaliges Paar, das sich vor Gericht gegenübersteht. Foto: Julia Terjung/ZDF/dpa

Sie waren einmal ein Paar – auch wenn sie mit anderen Menschen verheiratet waren. Doch dann veränderte eine Begegnung alles. Die einstigen Liebenden stehen sich vor Gericht gegenüber.

Berlin - Der Titel von Ferdinand von Schirachs neuem Drama "Sie sagt. Er sagt" deutet schon die Kampflinien an: Eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin behauptet, ihr ehemaliger Geliebter habe sie vergewaltigt. Im Strafprozess steht Aussage gegen Aussage.

Man muss sich viele Daten merken: Im September wird von Schirachs Stück in Wien uraufgeführt, in Buchform am 28. Februar veröffentlicht. Bereits zwei Tage zuvor sendet das ZDF am 26. Februar den Fernsehfilm "Sie sagt. Er sagt.", zu dem von Schirach das Drehbuch schrieb und das auf dem Theaterstück basiert. In der ZDF-Mediathek ist der Film bereits vorab zugänglich.

Das Gerichts-Drama im Zweiten wird von Matti Geschonneck als juristisches Kammerspiel inszeniert. Ina Weisse spielt darin die TV-Moderatorin Katharina Schlüter, die den Industriellen Christian Thiede (Godehard Giese) der Vergewaltigung beschuldigt. Jahrelang verband die beiden eine heimliche Affäre, jetzt sitzen sie einander im Gerichtsaal gegenüber.

Schlüter, als Nebenklägerin und Zeugin, hat das Wort – ihr Ex-Geliebter verteidigt sich schweigend. Im Zeugenstand schildert Schlüter, wie aus dem zunächst einvernehmlichen Sex in Thiedes Wohnung eine Vergewaltigung wurde. Doch reichen Indizien wie Spermaspuren auf dem Kleid, das sie an dem Tag trug, als Beweismittel aus?

Thiedes Verteidigerin Breslau (Henriette Confurius) zeichnet ein anderes Bild: Eine verlassene Geliebte will sich für die von ihr nicht gewollte Trennung rächen und hat den Vorfall frei erfunden. Schlüters Rechtsanwalt Biegler (Matthias Brandt) hingegen verweist auf die eingefrorene Karriere seiner Mandantin und die anstehende Scheidung: Die Offenlegung des heimlichen Verhältnisses im Zuge der Anzeige der Vergewaltigung hat auch das Aus ihrer Ehe bedeutet.

Von Schirach: "Keine Wahrheit um jeden Preis."

Was ist Wahrheit? Das ist die Frage, mit der sich Richter täglich auseinandersetzen müssen, gerade in Indizienprozessen oder wenn Aussage gegen Aussage steht. Vielleicht ist das Justizgenre gerade deshalb in Literatur und Film so beliebt, müssen sich doch auch Leser oder Zuschauer eine Meinung bilden – schuldig oder unschuldig, Wahrheit oder Lüge?

Von Schirach ist selbst Jurist und hat als Strafverteidiger gearbeitet. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Vorsitzende Richterin und der Vertreter der Staatsanwaltschaft eher blass bleiben. Es sind vor allem die Anwälte Breslau und Biegler, die hier die größte Bühne für einen juristischen Schlagabtausch erhalten. Der verläuft ein wenig aufgeregter und emotionaler als im Alltag der Strafprozesse vor deutschen Gerichten üblich.

In einem Voice-over ergreift auch der Autor selbst das Wort: Über die Schuld oder Unschuld eines Menschen werde in einem Rechtsstaat nicht in Zeitungen entschieden, nicht im Fernsehen, nicht in den sozialen Medien und nicht in den Foren des Internets, mahnt er darin. "In einem Strafverfahren versuchen die Richter, die Wahrheit herauszufinden. Sie hören Zeugen und Sachverständige, sie sehen sich sorgfältig die vorgelegten Beweise an, sie prüfen die Argumente des Staatsanwalts, des Nebenklägers und des Verteidigers. Aber es gibt keine Wahrheit um jeden Preis."

Da ist es nur konsequent, dass am Ende des Films nicht das Urteil steht, sondern das Publikum mit den Aussagen beider Parteien konfrontiert wird. Wer hat die Wahrheit gesagt? Das offene Ende dürfte zu mancher Zuschauerdiskussion nach dem Abspann führen.