Finale in der Rampe: Musiker mehrerer Stuttgarter Bands traten dort gemeinsam bei einem Solidaritätskonzert auf. Foto: Jan Sellner

Solidaritätskundgebungen für Jüdinnen und Juden waren zuletzt wieder seltener geworden. Mit einem Solidaritätskonzert in der Rampe haben Kulturschaffende aus Stuttgart jetzt ein Zeichen der Verbundenheit gesetzt.

Ein „unvergesslicher Abend“ sollte es werden. Diesen Wunsch äußerte Moderatorin Aliki Schäfer, als sie am am Freitagabend im ausverkauften Theater Rampe im Stuttgarter Süden ein „Solidaritätskonzert gegen Antisemitismus“ eröffnete. Zwei Stunden später beim großen Finale, kurz nach 22 Uhr, war klar: Wünsche werden war; der live im Radio (Freies Radio Stuttgart) übertragene Abend hallt in jedem Fall nach. Die Mischung aus Wortbeiträgen und Musik machte ihn zu etwas Besonderem – was auch dem Format geschuldet war, das der Abend in jeder Beziehung besaß.

Klare Botschaft: „Stuttgart gegen Antisemitismus“

Schäfer, die als Kulturproduzentin arbeitet, und Co-Moderator Andreas Vogel hatten Kulturschaffende in Stuttgart angesprochen, sich an dem Solidaritätskonzert zu beteiligen und waren auf ein positives Echo gestoßen: die Bands BRTHR (Brother), Lakvar, Loretta, Long Lost Souls und Rikas sowie das Duo Los Santos und die Sängerin Marie-Louise machten mit und bildeten unter der Regie von Philipp Eißler in bunt wechselnder Besetzung einen von Empathie geprägten, kraftvollen musikalischen Rahmen für die Wortbeiträge, die sich mit dem Erstarken des Antisemitismus auseinandersetzten und von der Hoffnung handelten, dass die Gesellschaft diesem Phänomen entschlossen entgegentritt. Das Setting in der Rampe erinnerte dabei entfernt an die Fernsehsendung Wetten, dass . .?: Von einem langen Sofa aus erhoben sich die Mitwirkenden der Reihe nach zu ihren mit viel Applaus bedachten Auftritten. Die Aufschrift über der Bühne machte indes klar, dass es hier nicht um ein Spiel geht, sondern um eine ernste Sache: „Stuttgart gegen Antisemitismus.“

Ein Solidaritätskonzert, um „sich gut zu fühlen“?

„Wir wollen ein Zeichen der Solidarität mit den jüdischen Menschen hier und anderswo setzen und wenden uns gegen jede Form von Antisemitismus“, sagte Aliki Schäfer. Das Problem bestehe nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres. Es sei schon länger auch im Kulturbetrieb zu beobachten, wo Antisemitismus verharmlost oder gar befördert werde. Als Beispiel nannte sie die documenta 2022, bei der ein Künstlerkollektiv antisemitische Klischees bedient hatte. Schäfer warnte davor, „Äpfel mit Birnen zu verwechseln“. Solidarität mit Jüdinnen und Juden zu zeigen, bedeute nicht, „jedes Regierungshandeln in Israel gut zu heißen“. Umgekehrt schließe die strikte Ablehnung des Terrorregimes der Hamas die Solidarisierung mit der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht aus. Es gehe darum, „diese Gleichzeitigkeit zu verstehen und auszuhalten“.

Oron Haim vom Stuttgarter Verein Kubus, der sich gleichermaßen gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus wendet, wählte eine persönliche Ansprache. „Niemand hier im Raum ist ein Held“, sagte er. Es reiche nicht, ein Solidaritätskonzert zu besuchen, um sich „dann besser zu fühlen“. Jüdinnen und Juden aber auch „die muslimischen Geschwister“ in Deutschland seien darauf angewiesen, dass die Mehrheitsgesellschaft sie anhöre und unterstütze.

Kritik an der „Terrorverharmlosung“ im Kulturbetrieb

Joe Bauer, Journalist, Autor und Stadtspaziergänger, machte auf Vorurteile aufmerksam, „die von Elternhaus zu Elternhaus“ weitergegeben würden. Man müsse lernen, mit diesen Vorurteilen selbstkritisch umzugehen und Menschen endlich als Menschen anerkennen. Die Antisemitismusforscherin Maria Kanitz, die das 2015 von „antisemitismuskritischen und jüdischen Künstler:innen“ gegründete Institut für Neue Soziale Plastik vertrat, kritisierte ihrerseits eine „Terrorverharmlosung“ im Kulturbetrieb, die Jüdinnen und Juden zum Rückzug ins Private veranlasst habe. Das Solidaritätskonzert in der Rampe mache ihr dagegen Mut. „Lasst es ein Anfangspunkt sein“, ergänzte Moderator Andreas Vogel.

Gut gefühlt hat man sich dabei dann doch – dank der guten Musik. Die Funken von der Bühne sprangen aufs Publikum über.