Die Bundesregierung möchte Asylbewerber aus dem Maghreb schneller abschieben können. Foto: dpa

Setzt sich die Bundesregierung mit ihrer Asylrecht-Verschärfung im Bundesrat doch noch durch? Bei Grün-Schwarz im Südwesten deutet sich Zustimmung an. Für eine Mehrheit in der Länderkammer reicht das aber noch nicht.

Berlin/Stuttgart - Im Streit um die Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsländer deutet sich eine Zustimmung Baden-Württembergs im Bundesrat an. Damit würde Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den grün-schwarzen Koalitionsstreit in Stuttgart beilegen, sich aber zugleich gegen den Kurs seiner Partei stellen, die Gesetz ablehnt. Grundlage für Kretschmanns Entscheidung ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Kompromissangebot.

Wie die dpa am Mittwoch aus Kreisen der Koalitionsparteien in Stuttgart erfuhr, soll es eine zusätzliche Vereinbarung geben. Danach sollen besonders gefährdete Gruppen wie Homosexuelle, politische Akteure und Journalisten aus den Maghreb-Staaten weiter Schutz erhalten. Der Kompromiss würde damit auf eine Stellungnahme des Bundesrates vom März eingehen. Demnach könnte die Bundesregierung den Ländern auch mit einer Altfallregelung für langjährige Asylverfahren entgegenkommen.

Damit das im Bundestag bereits beschlossene Gesetz am Freitag auch den Bundesrat passiert, müssten allerdings mindestens drei der zehn Länder zustimmen, in denen die Grünen in der Regierung sitzen. Ob sich weitere Landesregierungen mit grüner Beteiligung von einem solchen Kompromiss überzeugen lassen, war am Mittwoch offen.

Asylbewerber sollen schneller zurückgeschickt werden

Ziel der Neuregelung ist es, Asylbewerber aus den nordafrikanischen Staaten Tunesien, Marokko und Algerien schneller zurückschicken zu können. Bei den Grünen gibt es wegen der Menschenrechtslage in diesen Ländern jedoch erhebliche Widerstände gegen das Vorhaben der großen Koalition im Bund.

Die meisten grün-mitregierten Länder neigen zur Enthaltung, was faktisch einem Nein entspricht. Kompromissbereitschaft deutete sich am Mittwoch aber auch im schwarz-grün regierten Hessen an. „Wir verhandeln und ich bin nach wie vor der Auffassung, dass man hier zusammenkommen kann“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Er werbe dafür, auf der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Donnerstag in Berlin einen gemeinsamen Weg zu finden. Falls nicht, wäre die Anrufung des Vermittlungsausschusses das beste Verfahren, sagte Bouffier.

Die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens will sich voraussichtlich enthalten, will sich nach Angaben einer Sprecherin aber erst am Donnerstagabend endgültig festlegen. Auch das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen mache das Votum abhängig von den weiteren Beratungen mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf.

Die Bundesregierung setzt weiterhin auf eine Einigung mit den Landern. „Wir hoffen weiter, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen wird, das aus unserer Sicht gut begründet ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Kretschmann hatte bereits Ende 2014 für einen Asylkompromiss und die Einstufung einiger Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer gestimmt, auch damals hatte es Ärger mit der Partei gegeben.

Grüne sind gegen die Verschärfung des Asylrechts

Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin warnte seine Parteifreunde in den Ländern davor, für die Asylpolitik der großen Koalition zu stimmen. Homosexualität werde in allen drei Maghreb-Staaten mit Gefängnis bestraft, sagte Trittin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es komme zu Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen, und in einigen Polizeistationen werde Folter als normales Mittel der Beweisführung angesehen.

Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt bekräftigte ihre Zweifel an der Wirksamkeit des Gesetzes. Das Konzept der sicheren Herkunftsländer bringe nichts, sagte sie der „Heilbronner Stimme“ (Mittwoch). Als Beispiel nannte Göring-Eckardt den Fall von derzeit 1300 ausreisepflichtigen Marokkanern in Nordrhein-Westfalen, „die von ihrem Heimatland einfach nicht zurückgenommen werden“. Die Grünen-Politikerin forderte stattdessen beschleunigte Asylverfahren.

Bereits jetzt ist die Zahl der Flüchtlinge, die aus Maghreb-Staaten nach Deutschland kommen, überschaubar. Die sogenannte Schutzquote liegt für Marokkaner laut Innenressort derzeit bei 2,2 Prozent, für Algerier bei 1,4 Prozent und für Tunesier nur bei 0,5 Prozent.