Lawine am Mount Everets: Sie kommen aus dem Nichts. In Sekundenbruchteilen reißen die Ungetüme aus Schnee, Eis und Geröll alles auf ihrem Weg mit sich und begraben es meterhoch. Foto: AFP

Andy Holzer ist der einzige blinde Profi-Bergsteiger Europas. Noch im Mai will er auf dem Gipfel des Mount Everest stehen. Wir begleiten ihn mit einer Serie bei seiner Vorbereitung und beim Weg hinauf in eisige Höhen.

Mount Everest/Kathmandu - 15. Mai 2017 – 43. Tag der Expedition des „Blind Climber“ Andy Holzer und seines Teams auf den Mount Everest.

Wieder mal . . . das Wetter

Wo ist Andy Holzer? Seine Frau Sabine hat am 14. Mai zum letzten Mal mit ihm per Satellitentelefon gesprochen. Sie geht davon aus, dass sich das Bergsteigertrio aus Osttirol derzeit im vorgeschobenen Basislager auf 6400 Meter aufhält. Ein anderes österreichisches Team ist ebenfalls am Everest, um den höchsten Gipfel der Welt über die Südroute zu erklimmen. Sie haben dasselbe Problem wie Andy Holzer, Wolfgang Klocker und Klemens Bichler – das Wetter.

Extrem wechselhaft

In der Everest-Region ist es extrem wechselhaft. Ein plötzlicher Wintereinbruch oder Starkwind können am nächsten Tag von einem sonnigen Tag mit starker Sonneneinstrahlung und Erwärmung abgelöst werden. Beides ist für die Kletterer riskant: Bei stürmischen Wetter können sie genauso wenig den Weitermarsch riskieren wie bei zu viel Wärme. Denn dann schmilzt der Permafrost-Boden buchstäblich unter ihren Füßen weg und die Gefahr von herabfallenden Steinen und Moränenmaterial ist sehr groß.

Riesige Eislawine auf der Südroute

Markus Amon, ein Bergretter vom Österreichischen Bergrettungsdienst, der sich derzeit auf der Südseite des Everest im Lager 2 auf 6500 Meter befindet, schreibt in seinem Blog: „Eine riesige Eislawine, welche quer über das gesamte Tal des Schweigens (oberhalb des Khumbu-Eisgletschers, d. Red.) ihre Spur der Verwüstung hinterließ, hat uns alle hier am Berg wieder einmal ganz deutlich vor Augen geführt, wie mächtig doch die Natur um uns herum ist. Nur wenige Minuten früher oder später und der Eisschlag hätte für viele auf diesem Wegabschnitt befindlichen zu einer Katastrophe geführt.“

Die Tragödie von 2014

18. April 2014

Am 18. April 2014 waren am Khumbu-Gletscher 16 nepalesische Expeditionshelfer durch eine Lawine getötet worden. Mehr als 200 Sherpas und andere Helfer waren in den Tagen zuvor durch den Eisbruch gestiegen. Sie hatten, wie das Magazin „National Geographic“ in seinem Bericht über die Tragödie schreibt, ihr Gepäck geschultert: Seile, Schneeschaufeln, Eisschrauben, um Fixseile bis zum Gipfel des Everest in 8850 Meter Höhe anzubringen. „Manche trugen die Ausstattung für die vier Zwischenlager, die sie für ihre Klienten am Berg einrichten sollten: Schlafsäcke, Esszelte, Tische, Stühle, Kochtöpfe – sogar Heizgeräte, Teppiche und Plastikblumen.“

„Ungetüm aus Eis donnerte in die Tiefe“

Dann um 6:45 Uhr Ortszeit geschah „das schlimmste Unglück in der Besteigungsgeschichte des Mount Everest“, wie „National Geographic“ berichtet:

„Ein Block in Form eines riesigen Hundezahns, 34 Meter hoch und Tausende Tonnen schwer, hatte sich von den steilen Gletschertürmen unterhalb der Westschulter gelöst. Dieses Ungetüm aus Eis donnerte in die Tiefe, wo es zerbarst, es schob den Wind wie eine Wand vor sich her. Manchen Sherpas kam es vor, als dauerte es Minuten, bis die Lawine bei ihnen ankam; für andere waren es Sekunden. Etwa zwei Dutzend Bergsteiger standen in der Schneise der Lawine, viele andere direkt an ihren Rändern.“

16 nepalesische Bergführer waren tot, 28 Kinder hatten ihre Väter verloren.

Wie alt darf man für eine Everest-Besteigung sein?

Debatte in Nepal um Expeditions-Höchstalter

Nach dem Tod von Min Bahadur Sherchan diskutiert Nepal über ein Höchstalter für die Besteigung des Mount Everest. Der 85-jährige Nepalese war am 6. Mai im Basislager an den Folgen eines Herzinfakrts gestorben. Er wollte in diesem Jahr den Rekord des ältesten Menschen auf dem Gipfel des 8848 Meter hohen Berges zurückerobern, den er 2013 an den damals 80-jährigen Japaner Yuichiro Miura verloren hatte. Er war nach dem Schweizer Extrembergsteiger Ueli Steck der zweite Mensch, der in der diesjährigen Klettersaison in Nepal starb.

Sollte der Himalaya-Staat sich für eine Altersgrenze entscheiden, wäre er neben China das zweite Land mit einer solchen Regelung. Dort beträgt das Mindestalter 18 und das Höchstalter 60 Jahre. Ang Tshering Sherpa, Vorsitzender des nepalesischen Bergsteigerverbands NMA, sprach sich für ein entsprechendes Gesetz aus.

Ungesunder Wettbewerb am Everest

Bereits seit 2010 gibt es in Nepal ein Mindestalter von 16 Jahren für die Besteigung des Everest. „Schon nachdem Sherchan im Jahr 2008 mit 76 Jahren seinen ersten Rekord erzielte, haben wir ein oberes Limit vorgeschlagen“, sagte NMA-Chef Sherpa. „Ohne ein solches Limit wird es immer weiter den ungesunden Wettbewerb geben, dass immer ältere Kletterer sich gegenseitig übertreffen wollen.“ Damals sei die Initiative jedoch am Widerstand vieler älterer Bergsteiger gescheitert. Nach dem jüngsten Todesfall erklärte das Amt für Tourismus nun jedoch, über eine Obergrenze zu beraten.