Karin von Maur wird am 8. November 80 Jahre alt Foto: Staatsgalerie Stuttgart

Geradlinig und gesegnet mit trockenem Humor: Mit Karin von Maur verbinden sich für die Staatsgalerie Stuttgart herausragende Forschungsarbeit und historische Ausstellungserfolge.

Stuttgart - „Wie finden Sie eigentlich . . .?“ Karin von Maur fragt dies direkt. Eine Frau in der sachlichen Offensive – das ist sie schon immer. Eine Wissenschaftlerin, die buchstäblich auf den Punkt kommen will.

Meinungsstark und fordernd

„Ein Kerl muss eine Meinung haben“ – der Satz aus Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ summiert die Haltung jener Kunsthistorikerin, die international wie niemand sonst für die Erforschung und die Präsentation des Schaffens des Bauhaus-Mitbegründers Oskar Schlemmer gekämpft hat und der die Staatsgalerie Stuttgart nicht nur längst als Standardwerke geltende Kataloge zu Themen wie „Klang der Bilder“ oder „Magie der Zahl“ zu verdanken hat, sondern damit verbunden auch einige der bis heute erfolgreichsten Ausstellungen der Staatsgalerie-Geschichte.

Unvergessliche Ausstellungserfolge

Unvergesslich etwa das doppelte Staunen, als die Staatsgalerie im fünf Jahre zuvor eröffneten Neubau James Stirlings im Frühjahr 1989 die Bildwelt Salvador Dalís in kaum für möglich gehaltener Breite und qualitativer Spitze präsentierte. Dalí, im Januar 1989 gestorbener Wortführer des Surrealen, der bildnerischen und literarischen Traumwelten, ist längst zu einer Figur jenseits der Kunst geworden. Karin von Maur holt ihn zurück, schafft im durchaus auch streitbaren Miteinander mit dem damaligen Staatsgalerie-Direktor Peter Beye Bilddialoge, denen man sich kaum entziehen kann.

Mit Dalí sorgt von Maur für Besucher-Schlangen vor der Staatsgalerie

Schlangen bilden sich. Über den Vorplatz des Stirlingbaus, die Rampe hinunter zur Adenauerstraße, ja, die Straße entlang, die heute so gerne als Grund für die empfundene Randlage des Staatsgalerie-Ensembles benannt wird.

Maßstäbe in der Forschung gesetzt

Vier Jahre zuvor schon setzt Karin von Maur international Maßstäbe. „Vom Klang der Bilder – Die Musik in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ ist ihr bis dahin größtes Ausstellungsprojekt überschrieben. Der überbordende Parcours ist ein scharfer Ritt durch die jüngere Kunstgeschichte – ein heute undenkbares Panorama des Besten der Besten.

Präzision auch unter höchstem Zeitdruck

1997 präsentiert Karin von Maur die Schau „Die Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts“. Noch einmal soll die nun von Christian von Holst gelenkte Staatsgalerie in die erste Reihe der Kunstmuseen rücken. Von Maur will möglichst alles zeigen, Leihgaben aus aller Welt summieren sich erneut zu einem Best-of. Doch die Sorge darum, keine Lücke zuzulassen, mindert die Zeit für die Arbeit am Katalog. Die Lösung? Karin von Maur diktiert direkt in die Schreibmaschine – „es war einfach unglaublich“, erinnern sich Wegbegleiter jener Zeit wie Christoph Becker, heute Direktor des Kunsthauses Zürich.

Dreigestirn voller Energie: Karin von Maur, Gudrun Inboden und Ulrike Gauss

Mit Gudrun Inboden (verantwortlich für die Gegenwartskunst) und Ulrike Gauss (als Leiterin der Graphischen Sammlung) bildet Karin von Maur in den 1980er und 1990er Jahren ein Staatsgalerie-Dreigestirn voller Gegensätze und voller Energie.

1966 als Volontärin in der Staatsgalerie in die Kunstmuseumswelt eingestiegen, geht Karin von Maur im Anschluss zunächst an die Kunsthalle in Nürnberg. Staatsgalerie-Direktor Peter Beye holt sie schon 1969 zurück. Als 1994 Christian von Holst die Leitung des Hauses übernimmt, wird von Maur bis zu ihrem Ausscheiden im Jahr 2003 stellvertretende Direktorin.

Weltweite Anerkennung als Expertin für Oskar Schlemmer

Über Jahrzehnte genießt Karin von Maur, deren trockener Humor ebenso bekannt und gefürchtet ist wie ihre direkte Ansprache, höchste internationale Anerkennung. Umso schmerzlicher ist für sie das Ringen um die Pflege des Werkes von Oskar Schlemmer. Immer mehr überlagert in den 1990er Jahren ein Streit um das Erbe und die notwendige Sichtbarkeit des Werkes die Arbeit. Hilflos muss Karin von Maur den Abzug wesentlicher Materialien aus dem doch eigentlich der Staatsgalerie anvertrauten Schlemmer-Archiv erleben.

Bei der Schlemmer-Retrospektive 2014 gilt der Dank auch Karin von Maur

Als Sean Rainbird als Direktor der Staatsgalerie 2008 auf Initiative von Ina Conzen (Leiterin der Abteilung Klassische Moderne) eine Schlemmer-Retrospektive ankündigt und die dann von Christiane Lange gelenkte Staatsgalerie Oskar Schlemmer – 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers ohne Sorgen vor Debatten um Urheberrechte an Abbildungen und Materialien – 2014 tatsächlich zurück auf die Kunstbühne holen kann, gilt der Dank in der von Ina Conzen verantworteten Ausstellung auch Karin von Maurs Schlemmer-Engagement. „Die Schwäbin“, wie sie vor allem wegen ihrer Klarheit und Präzision genannt wird, hält sich wie stets im Hintergrund.

Die Botschaft: Zur Kunst geht es nur unverstellt

An diesem Donnerstag wird Karin von Maur 80 Jahre alt. Sie poltere noch immer gerne, sagen die einen. Sie mache einen noch immer mit ihrem Forscherdrang verrückt, sagen die anderen. Beides ist nicht falsch. Aber vor allem gilt doch dies: Karin von Maur ist ein Original. Zur Kunst, das ist ihre Botschaft, geht es nur unverstellt.