Langhaarige Männer, grauhaarige Frauen und jede Menge Flaggen und Buttons mit der Aufschrift „Atomkraft nein danke“ gab es am Sonntag bei der Demo gegen den geplanten Castor-Transport.
Kirchheim/Neckar - Etwa 100 Menschen haben am Sonntag in Kirchheim/Neckar gegen den geplanten Atommüll-Transport auf dem Neckar demonstriert. Rund 70 Atomgegner paddelten am frühen Mittag in 30 Kajaks auf dem Fluss in Richtung Lauffen am Neckar, etwa 30 Radler folgten ihnen auf dem Landweg. Die Polizei war mit sechs Einsatzkräften vor Ort und begleitete die Veranstaltung, die vom Bündnis Neckar castorfrei organisiert worden war.
Die ersten Castoren kommen wohl schon bald
Mit der Kundgebung wollten sich die Atomgegner gegen den von dem Energieversorger EnBW geplanten Transport von Castoren aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Obrigheim ins Gemeinschaftskernkraftwerk Neckar (GKN) in Neckarwestheim wehren. Möglicherweise schon in den nächsten Tagen sollen die Schiffe mit den Spezialbehältern zur Lagerung und zum Transport hochradioaktiver Materialien beladen werden; wann genau das stattfinden soll, teilte die EnBW aus Sicherheitsgründen allerdings noch nicht mit. „Die EnBW plant einen absolut unsicheren Transport auf dem Wasser, es gibt dazu keinerlei Erfahrungswerte“, kritisierte der Bündnis-Sprecher Herbert Würth am Sonntagnachmittag. Das Unterfangen sei hochriskant.
Detail-Infos fehlen noch
Das Umweltministerium und die EnBW als Betreiberin des Atommeilers hätten zwar stets zugesagt, sämtliche Eventualitäten und Gefahren vorher genau zu prüfen. „Aber eigentlich steht seit zwei Jahren fest, dass dieser Transport kommt – nur zu den genauen Umständen erfährt keiner die Details“, sagt Würth. Seit 40 Jahren suche man beim Thema Atommülllagerung immer nur nach Notlösungen, dabei solle man seiner Ansicht nach den Atommüll erst einmal dort lassen, wo er sei, und ihn erst dann von einem Ort zum anderen bringen, wenn alle Risiken geklärt seien.
Dieser Meinung ist auch Franz Wagner vom Bündnis Neckar castorfrei. Die EnBW betone stets, dass der Fluss nicht tief genug sei, dass eines der mit den Castoren beladenen Schiffe sinken könnte. „Das mag ja vielleicht sein, allerdings kann es vor allem bei der Verladung der Behälter zu gefährlichen Situationen kommen“, warnt Wagner. Die etwa acht Meter langen und gut neun Meter breiten Schiffe verfügten nicht über eine genügend hohe Stabilität, um während der Beladung in ihrer tatsächlichen Lage zu bleiben. „Ein Castor-Behälter wiegt etwa 100 Tonnen, hinzu kommen die Brennelemente mit etwa neun Tonnen. Wir finden vor allem den Moment kritisch, wenn die Behälter auf dem Schwerlastroller über die schräge Rampe auf das Schiff gerollt werden“, sagt Wagner. Dann nämlich könne das Schiff mit einem Neigungswinkel von bis zu 15 Prozent nach unten gedrückt werden, und diese Kräfte müssten dann alle von der Zugmaschine gehalten werden. „Wir finden das heikel, und ich glaube auch, dass die EnBW selbst das heikel findet und durchaus kritisch sieht.“
Der Neckarwestheimer Bürgermeister wartet auf Akteneinsicht
Für die aus Wiesbaden angereiste Atomkraftgegnerin Evelin Pfister ist es vor allem nicht tragbar, dass der Energiekonzern den genauen Transporttermin nicht rechtzeitig bekannt gibt. „Die Neckar-Anwohner haben so ja gar keine Möglichkeit zu reagieren und sich an den entsprechenden Tagen etwa woanders aufzuhalten“, sagte sie. Zudem könne sie nicht verstehen, weshalb die Gemeinde Neckarwestheim erst jetzt die Unterlagen vom Berliner Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) angefordert habe.
In dem Punkt jedoch scheint die Aktivistin falsch informiert zu sein: Bereits im Januar hat Neckarwestheims Bürgermeister Jochen Winkler nach eigenen Worten Akteneinsicht beantragt, bis heute warte er auf die Unterlagen. Das BfE erteilte am vergangenen Dienstag der EnBW die Genehmigung für den Transport. Dagegen hat die Kommune nun zwar zwei Eilrechtsschutzanträge beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Ob sie allerdings noch Einfluss auf den weiteren Verlauf nehmen, ist selbst bei den Gegnern des Castor-Transports höchst zweifelhaft. „Das Verwaltungsgericht sagt zwar, dass eine Entscheidung darüber nicht vor Ende Juni fallen soll. Wir sind uns aber sicher, dass dies alles keinerlei aufschiebende Wirkung hat – der Transport wird kommen“, sagt Franz Wagner.