In Stuttgart ist die Unterbringung von Flüchtlingen – auch die Notunterbringung bei der Schleyerhalle (im Bild) ausgereizt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Nutzung von sechs Hallen wird erhebliche Auswirkungen haben. Im Gemeinderat fragt man sich, ob im Rathaus wirklich alle Alternativen geprüft worden sind.

Die Landeshauptstadt will baldmöglichst in sechs Sport- und Versammlungshallen Flüchtlinge unterbringen. Bereits in den kommenden Wochen könnten die Hallen geschlossen werden, um sie technisch und durch den Einbau von Abteilen für die Belegung vorzubereiten. Von der Entscheidung seien „circa 15 Schulen direkt beziehungsweise mit in Frage kommender Ausweichsportstätte betroffen“, ließ die Verwaltung am Freitag auf Anfrage wissen. Die Schulleitungen seien am frühen Donnerstagnachmittag informiert worden. Die Hallen stehen in Hedelfingen und Obertürkheim, im Osten, in Birkach, Sillenbuch und Weilimdorf. Die Schulleitungen sehen sich seit der Bekanntgabe der Flüchtlingsnutzung mit unzähligen Anfragen vor allem aus der Elternschaft konfrontiert.

Hallen sind durch Schulsport tagsüber ausgelastet

Ihr Maileingang fülle sich schnell, Eltern wollten sie sprechen, und die Sportkollegen seien schlicht „empört“, sagt Susanne Schwahn, Schulleiterin am Solitude-Gymnasium in Weilimdorf. Ihre Sporthalle war, wie die anderen auch, schon 2015 von der Stadt für Flüchtlinge aus Syrien genutzt worden. Weil damals Grundvoraussetzungen abgeprüft worden seien, habe man nun dieselben Hallen wieder gewählt, so die Begründung der Verwaltung, die auf Hotelzimmer gesetzt, aber zu viele Absagen kassiert hatte.

840 Schülerinnen und Schüler zählt das Gymnasium in Weilimdorf. „Die Halle ist praktisch den gesamten Tag belegt“, so Schwahn. Die Hilfe für Flüchtlinge will sie nicht in Frage stellen, die Hallenwahl schon eher. „Warum nimmt man nicht die Lindenbachhalle?“, fragt sie. Vielleicht kann die Verwaltung bei der Debatte im Bezirksbeirat dazu Auskunft geben. Die Entscheidung aus dem Stuttgarter Rathaus soll in den örtlichen Gremien erläutert werden.

Weil der Schulhof mit vielen Spielgeräten an die Halle grenzt, sieht Schwahn die Möglichkeit für Begegnungen, eine Doppelnutzung des Hofs auch für junge Flüchtlinge könne aber auch problematisch sein. Außerdem gebe es in der Schule keine Räume mehr, um ganze Klassen während der ausfallenden Sportstunden zu beaufsichtigen, Umkleiden und Duschen für Sport draußen könne man wohl auch vergessen, und für die Abiturienten müsse zwingend eine Ersatzhalle her. Der Klärungsbedarf ist jedenfalls enorm.

„Vorübergehende Maßnahme“ – aber wie lange?

„Wir waren von der Entscheidung völlig überrascht“, sagt Beate Vöhringer, Rektorin der Raichberg-Realschule im Osten. Ihre Sporthalle sei ganztags belegt, die Lüftungsanlage aber defekt. „Die Halle sollte saniert werden“, so Vöhringer. Ihr fällt die Vorstellung schwer, in dieser auf unbestimmte Zeit Flüchtlinge unterzubringen. Für 390 Schüler bedeute das dann wahrscheinlich „null Sportangebot“.

Funktionstüchtige Hallen sind in der reichen Sportstadt Stuttgart Mangelware. Die Verwaltung erklärt die Schließungen zu einer „vorübergehenden Maßnahme“, zur Dauer könne man aber nichts sagen. Grundschulen könnten verstärkt auf „alternative Bewegungsprogramme“ zurückgreifen, Abschlussklassen und Prüfungsjahrgänge hätten Vorrang, vielleicht könne man Räume von Kirchen oder anderen Institutionen nutzen, so die Auskunft am Freitag. Klar sei, dass man den Kreis der Betroffenen möglichst klein halten wolle.

CDU fragt konkret nach Alternativen

Die Entscheidung der Verwaltung ist im Gemeinderat noch nicht diskutiert worden. Scharfe Kritik äußerte am Donnerstag der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz. „Wir glauben nicht, dass alle Alternativen umfassend geprüft wurden, wie Container oder beheizte Zelte auf dem Wasen oder das Eiermann-Areal in Vaihingen, das Paketpostamt beim Rosensteinpark oder das EnBW-Areal im Stöckach“. Die CDU hat jüngst, zusammen mit der AfD, neue Flüchtlingsbauten und Containerstandorte sowie am Donnerstag nichtöffentlich die Anmietung weiterer Hotels abgelehnt.

Auch von Seite der Grünen kommt durch Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann ein neuer, ultimativer Ton in die Flüchtlingsfrage. In einer Pressemitteilung der Stadt erklärte sie: „Wir appellieren an Bund und Land, den Kommunen zur Seite zu stehen und für Entlastung zu sorgen. Wir werden andernfalls einer verantwortungsvollen und sozialverträglichen Unterbringung nicht mehr gerecht und können keine weiteren Aufnahmen verantworten.“