Ein Betrieb in Addis Abeba, der Kleidung – auch für den deutschen Markt – herstellt. Betriebe müssen künftig nachweisen, dass dabei keine Arbeiter und Arbeiterinnen ausgebeutet werden. Foto: epd/Mey Dudin

Trotz des Widerstands der FDP hat das geplantes EU-Lieferkettengesetz eine entscheidende Hürde genommen. Was bedeutet das für Unternehmen?

Das neue Lieferkettengesetz hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Die Einigung auf die neue Regeln, die fortan für Firmen in der Europäischen Union (EU) gelten, war nach wochenlangem Ringen erzielt worden. Am Freitag (15. März) wurde es verabschiedet - am 24. April hat auch das EU-Parlament zugestimmt. 374 Abgeordnete stimmten für das Gesetz, 235 dagegen und 19 enthielten sich am Mittwoch bei der finalen Abstimmung in Straßburg.

Das Lieferkettengesetz war schon bei der grundsätzlichen Einigung im März in der deutschen Wirtschaft auf scharfe Kritik gestoßen. Das Gesetz sei „ein weiterer Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, am Freitag. „Das Ergebnis ist kein Sieg für die Menschenrechte, sondern ein Sieg für die Bürokratie“, erklärte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura.

Für wen gilt das Lieferkettengesetz?

Mit dem EU-Lieferkettengesetz müssen Unternehmen künftig europaweit dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte aus Drittländern dort nicht zu Kinderarbeit oder Umweltschäden führen. Auch müssen Konzerne einen Plan verabschieden, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. Das Lieferkettengesetz sieht weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche Entwurf. Zunächst sollte es bereits für Unternehmen ab 500 Beschäftigten mit einem globalen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro im Jahr gelten. Das nun angenommene Gesetz gilt für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Die jährliche Umsatzschwelle liegt bei 450 Millionen Euro. Auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung wurde abgeschwächt.

In der deutschen Politik hatte die FDP bis zuletzt versucht, das Gesetz noch zu stoppen. Sie sieht das EU-Vorhaben kritisch, und sorgte dafür, dass sich Deutschland bei der Abstimmung darüber auf EU-Ebene enthalten musste, was wie eine Gegenstimme gezählt wird.

Eine politische Einigung auf das EU-Lieferkettengesetz hatte es eigentlich schon im Dezember gegeben. EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsstaaten hatten sich im sogenannten Trilog-Verfahren darauf verständigt. Im Regelfall ist die anschließende finale Abstimmung über den Gesetzestext durch die EU-Staaten und das Parlament nur noch Formsache. Wegen des Widerstands der FDP konnte Deutschland dem Gesetz nicht zustimmen. Damit galt lange als unklar, ob es unter den EU-Ländern noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Am Ende kam dennoch eine Mehrheit für das Gesetz zustande.

Textilindustrie: „praxisferne“ Vorschriften

Das Gesetz war mehrfach nachverhandelt worden. Die Änderungen seien "aus Sicht der Wirtschaft durchaus positiv zu bewerten“, erklärte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian im März. „Dennoch bleibt es für Unternehmen eine große Belastung, weltweite Lieferketten und direkte sowie indirekte Geschäftspartner zu kontrollieren.“

Auch die Textilindustrie bemängelte „praxisferne“ Vorschriften,“denn grundlegende Probleme, wie unklare Haftungsregeln außerhalb des eigenen Einflussbereichs bleiben bestehen“. Die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, beklagte einen „rabenschwarzen Tag für den Mittelstand“.

Was sagen die Befürworter?

Befürworter des Lieferkettengesetzes bewerteten die Einigung gemischt. Die Menschenrechtsorganisation Oxfam sprach von einem „Meilenstein mit Abstrichen“. Wichtige Punkte seien auf der Zielgeraden verwässert worden. „Hier werden demokratische Prozesse unterlaufen, um Großkonzerne zu schützen.“

Patrick Rohde von der Umweltorganisation BUND begrüßte das grüne Licht der EU-Staaten, aber es bleibe ein „übler Nachgeschmack“ wegen der Änderungen in letzter Minute. „Zudem nährt der Prozess Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit und Verlässlichkeit der Bundesregierung.“

Die Organisation Germanwatch lobte die Kompromissbereitschaft einiger EU-Staaten, damit es am Ende doch eine Einigung geben konnte. „Die Bundesregierung hat dagegen mit ihrer kategorischen Enthaltung nicht nur den Ruf Deutschlands als verlässlicher Verhandlungspartner nachhaltig beschädigt, sondern ist auch mitverantwortlich für die massive Abschwächung des Gesetzes in letzter Sekunde“, erklärte Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch.

Wie unterscheidet sich das EU-Gesetz vom deutschen Lieferkettengesetz?

In Deutschland gilt bereits seit 2023 ein Lieferkettengesetz. Das EU-Lieferkettengesetz geht aber in Teilen darüber hinaus. Im ursprünglichen Entwurf sollte das EU-Gesetz etwa bereits für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro gelten. Das deutsche Lieferkettengesetz gilt erst ab 1.000 Beschäftigten, dann aber unabhängig vom Umsatz. Ein weiterer Unterschied ist, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auf Schadenersatz verklagen können sollten.