Das geplante Lieferkettengesetz der EU soll die Ausbeutung von Arbeitskräften in armen Ländern verhindern. Foto: dpa/Jürgen Bätz

Gegen den Widerstand von Deutschland stimmen die Mitgliedsländer für die neue Regelung. Die Freude darüber ist ebenso große wie die Kritik daran.

Das Lieferkettengesetz galt bereits als tot. Nun hat die belgische Ratspräsidentschaft doch noch eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten für eine abgeschwächte europäische Regelung zum Schutz der Menschenrechte gefunden. Das bedeutet, dass Deutschland überstimmt wurde, das sich am Freitag im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten enthielt. Eine Enthaltung in dem Gremium wirkt wie eine Nein-Stimme.

Deutschland hatte diese Position eingenommen, weil sich die Ampel-Koalition in Berlin nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte. Die FDP hatte immer wieder ins Feld geführt, dass sich Betriebe aus Angst vor Bürokratie und rechtlichen Risiken aus Europa zurückziehen. Politiker von SPD und Grünen befürworten das Vorhaben hingegen.

Unterschiedliche Reaktionen auf das Gesetz

Entsprechend sind die Reaktionen auf das Abstimmungsergebnis. Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, sagte am Freitag: „Menschenrechte siegen über eine massive Lobbykampagne und FDP-Klientelpolitik. Der Krimi der letzten Wochen hat endlich ein Ende.“

Dem hielt die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn entgegen: „Unterm Strich bleibt das Lieferkettengesetz praxisfern, weil grundlegende Probleme, wie unklare Haftungsregeln außerhalb des eigenen Einflussbereichs bestehen bleiben.“ Es sei aber der FDP zu verdanken, dass das Gesetz an vielen Stellen verbessert worden sei. Nun muss dem Gesetz noch das Europaparlament zustimmen, was allerdings als sicher gilt.

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich bereits im Dezember auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Weil die Einigung aus dem Dezember zunächst keine ausreichende Mehrheit unter den EU-Staaten gefunden hatte, wurde das Vorhaben noch mal deutlich abgeschwächt.

Das Gesetz wird deutlich entschärft

So wird etwa die Grenze angehoben, ab der das Gesetz gelten soll. Sie liegt in Zukunft bei 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz. Zudem gilt eine großzügige Übergangsfrist von fünf Jahren. Auch Nicht-EU-Unternehmen sollen erfasst werden. Die EU-Kommission soll eine entsprechende Liste veröffentlichen. Für sie könnten die Vorgaben gelten, wenn sie mit ihrem Geschäft einen bestimmten Umsatz in der EU erzielen.

Zudem wurden demnach sogenannte Risikosektoren gestrichen, also Wirtschaftszweige, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen höher bewertet wird, wie etwa in der Landwirtschaft oder der Textilindustrie. Dort hätten auch Unternehmen mit weniger Mitarbeitenden betroffen sein können. Vorgesehen ist aber weiterhin, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen profitieren.

Kritik von der Opposition in Berlin

Kritik von der Opposition in Berlin kommt nicht nur am geplanten Lieferkettengesetz, sondern vor allem am Abstimmungsverhalten Deutschlands und dem drohenden schwindenden Einfluss in Brüssel. Der CDU-Abgeordnete Maximilian Mörseburg erklärte am Freitag: „Dass Deutschland diese Woche zweimal bei wichtigen Themen überstimmt wurde, zeigt, wie wenig Einfluss die Ampel in Europa noch hat.“ Die Strategie der FDP sei nicht aufgegangen, ist er überzeugt. „Man hat die Bundesrepublik durch die ungeschickte Blockade politisch isoliert, aber in der Sache nichts für die Unternehmen erreicht.“