Mo (Navid Negahban, r.) wirft Tom (Gerard Butler) Versäumnisse des Westens vor. Foto: Leonine

Der Afghanistan-Thriller „Kandahar“ offenbart, wie Geheimdienste Leben und Ressourcen verschwenden ohne Aussicht auf nachhaltige Erfolge.

Der Vielvölkerstaat Afghanistan ist ein Paradebeispiel dafür, wie das kriegerische Ringen unterschiedlicher Mächte ein Land zerreißen kann. 20 Jahre westlicher Intervention haben die demokratische Zivilgesellschaft nicht gesichert; nun regiert wieder ein frauenverachtender Bund religiös verblendeter Männer, deren Anführer in der Stadt Kandahar sitzt.

Dort soll der Auftragsagent Tom Harris (Gerard Butler) einen Job für die CIA erledigen mit dem Übersetzer Mohammad „Mo“ Doud (Navid Negahban). Der war schon sicher in den USA, sucht nun aber eine Verwandte. Als auffliegt, dass Harris eine Hacker-Attacke auf ein iranisches Atomlabor verübt hat, werden die beiden zu Gejagten.

Gewalt ohne konstruktives Ziel

Der Thrillerspezialist Ric Roman Waugh hat beim dritten Teil der „Has fallen“-Filmreihe Regie geführt, in der Gerard Butler als Hauptdarsteller und Co-Produzent Präsidenten, Städte und überhaupt die Welt rettet. „Kandahar“ ist dazu ein Gegenentwurf und als Thriller keineswegs perfekt. Im Plot klaffen logische Lücken. Die Kriegsaction – rennen, schlagen, schießen, Motorrad fahren, Hubschrauber vom Himmel holen – durchbricht gefühliger Emotionskitsch: Die Familie ist alles, und auch harte Männer hadern damit, wenn sie diese Erkenntnis überhaupt nicht beherzigen.

All das überstrahlt eine spektakuläre Metaebene – „Kandahar“ beleuchtet eine Mechanik der Gewalt, die weltweit großes Unheil anrichtet. Bis aufs Blut und mit allen Mitteln bekriegen sich iranische, afghanische, pakistanische, tadschikische, amerikanische und britische Männer – dabei wissen sie alle, dass ihr blutiges Tun kein konstruktives Ergebnis zeitigen wird, keinerlei Lösung. All die barbarische Brutalität vor wüster Kulisse in maroden Ländern dreht sich allein darum, im Ringen um Einfluss die Oberhand zu behalten.

Hochbegabte tricksen und täuschen

Dafür verschwenden diese Kerle Unmengen an Ressourcen, was ja nicht ungewöhnlich ist. Der destruktive Ukraine-Krieg findet ja nur statt, weil ein Diktator in Großmachtfantasien des 19. Jahrhunderts festhängt. Selten aber sieht man den Irrsinn so ungeschminkt aus der Nähe, personifiziert in intelligenten Charakteren, die im zivilen Leben viel Positives bewirken könnten. Über eine schnelle Auffassungsgabe und Überblick verfügen sie alle, Harris zudem über technische Fertigkeiten. Der CIA-Drahtzieher Roman Chalmer (Travis Fimmel) ist ein hochbegabter, vor Ideen sprühender Tausendsassa, der mit seinem Potenzial kaum mehr anfängt, als zu tricksen und zu täuschen.

Gleiches gilt für den brillanten pakistanischen Agenten Kahil Nasir (Ali Fazal), den pure Eitelkeit zum Bluthund macht: Von Ehrgeiz zerfressen tut er alles, um andere auszustechen. Der tadschikische Milizenführer Ismail Rabbani (Ray Haratian) schließlich, gesegnet mit überbordendem Charisma und Lebenslust, pfeift als käuflicher Opportunist darauf, wenn seine Einsätze auch unbeteiligte Zivilisten treffen.

Menschen wie Mo und seine Familie zum Beispiel. Unerschrocken konfrontiert der Dolmetscher die zynischen Krieger mit ihren Widersprüchen. Er hält ihnen den Spiegel vor und benennt auch deutlich die oft unrühmliche Rolle westlicher Geheimdienste, die an der Gewaltspirale mitdrehen.

Wie politisch Waugh und Butler ihren Film gemeint haben, spielt letztlich keine Rolle – was zählt ist, dass er erschüttert.

Kandahar: USA 2023. Regie: Ric Roman Waugh. Mit Gerard Butler, Navid Negahban. 120 Minuten. Ab 16 Jahren.