Brennpunkt Neckartor: Künftig soll der Verkehr langsam, aber flüssig am Feinstaubmessgerät (rechts) vorbeifließen. Foto: Peter-Michael Petsch

Errichtung der Anlage gegen Feinstaub unerwartet zeitaufwendig  – Weitere Klage angekündigt.

Stuttgart - Rechtsanwalt Roland Kugler legte am Freitag letzte Hand an die neueste Klageschrift, die das Verwaltungsgericht Stuttgart wieder mit Feinstaub und Stickoxiden behelligen wird. Der Ansatz: Was das Regierungspräsidium (RP) und die Stadtverwaltung jetzt planen, seien keine geeigneten Maßnahmen, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren und den Gerichtsvergleich zu erfüllen, in dem das RP seinem Mandanten im September 2011 Zusagen gemacht habe.

Die Überlegung, umfassend Tempo 40 auf den innerstädtischen Bundesstraßen einzuführen, haben die Behörden inzwischen nämlich als untauglich fallen gelassen. Stattdessen soll es zunächst zwei kleinere Maßnahmen geben. Mit Tempoangaben auf dynamischen Anzeigetafeln, einer weiteren Ampel und einem Blitzer will man den Verkehr zwischen Mineralbad Leuze und der Innenstadt so steuern, dass er auf niedrigem Geschwindigkeitsniveau kontinuierlicher am Feinstaubbrennpunkt Neckartor vorbeifließt. Zudem soll die grüne Welle dann bis zum Österreichischen Platz erweitert werden. Um den zweiten Brennpunkt Hohenheimer Straße zu entschärfen, wird auf der B 27 vom Olagaeck aufwärts zum Ernst-Sieglin-Platz Tempo 40 eingeführt.

Das reiche nicht, meint Rechtsanwalt Kugler. Der Plan komme einer Untätigkeit gleich. Das RP selbst habe nur in Aussicht gestellt, dass die Maßnahmen „voraussichtlich“ Wirkung hätten, mehr nicht.

In der Hohenheimer Straße wird bis Weihnachten die Ampelschaltungen umgestellt

Das RP hält dagegen, der Vergleich werde mit den Maßnahmen erfüllt. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) sagt, was nach Gesetzeslage möglich sei, habe man im Rathaus beschlossen. Alle Maßnahmen müssten im juristischen Sinn verhältnismäßig sein. Die Verkehrserschließung der Innenstadt sei ein Rechtsgut wie der Gesundheitsschutz. Ob die Maßnahmen Wirkung hätten, müsse die Praxis zeigen.

Just am Freitag, als Kugler noch die Klageschrift vollendete, bereiteten Mitarbeiter von RP und Stadtverwaltung die Realisierung der Maßnahmen mit Versuchscharakter vor. Man hoffe, in der Hohenheimer Straße bis Weihnachten die Ampelschaltungen umgestellt und die Verkehrsschilder aufgestellt zu haben, sagte Bernd Eichenauer vom Ordnungsamt. Nach den Sommerferien sollen in der Umgebung, etwa in der Olgastraße, die Autos gezählt werden, damit man später die Verkehrsverdrängungen durch Tempo 40 auf der Hohenheimer Straße bewerten kann. Sehr schnell umgesetzt wird die Ausdehnung des Parkverbots auf dem rechten Aufwärtsstreifen auf die Zeit von 21 bis 6 Uhr. Angeordnet ist das bereits. Man warte nur noch auf die Schilder dafür. Noch nicht entschieden ist, ob auch der B-27-Abschnitt zwischen Charlottenplatz und Olgaeck stadtauswärts Tempo-40-Zone wird. Das Gemenge aus Ampeln und Kreuzungen von Stadtbahn- und Autowegen am Olgaeck gilt als das technisch schwierigste Terrain in Stuttgart neben dem Berliner Platz. Eichenauer schließt aber nicht aus, dass das zur Verfügung stehende Geld auch für die Umrüstungen in diesem Bereich ausreicht.

Rechtlich und technisch komplexer ist die Feinstaub-Maßnahme beim Neckartor

Rechtlich und technisch „viel komplexer“ ist aber noch die Feinstaub-Maßnahme beim Neckartor. Die Kombination der verschiedenen Elemente für eine Grüne-Welle-Strecke dieser Länge gebe es wohl nirgendwo in Deutschland, sagt Eichenauer. Bevor sie in den Betrieb geht, will der Verkehrsingenieur des Ordnungsamts ganz sicher sein, dass es klappt. Wenn sich die Autofahrer genarrt fühlen, wenn die Anzeigetafeln sie gerade zur Einhaltung von Tempo 50 auffordern und der neue Blitzer beim Amtsgericht bei Tempo 41 angeht oder statt der versprochenen grünen Welle der Stau eintritt, wäre das für die Akzeptanz dieser Lösung verheerend, warnte Eichenauer. Ohne verdeckten Probebetrieb, bei dem die Experten die zugehängten Anzeigetafeln beobachten, will er nicht auf den Knopf für den Regelbetrieb drücken: „Notfalls sperren wir die Straße nachts auch eine halbe Stunde für einen Test.“ Dazu kommt, dass die Anzeigetafeln mit LED-Technik sieben Monate Lieferzeit hätten und Computerprogramme entworfen werden müssen. Fazit: Wahrscheinlich werde das Frühjahr 2013 ins Land gehen, ehe der Regelbetrieb beginnt. Aber all das dürfte auch vom Gericht in Betracht gezogen werden.

Etwa in Höhe der ADAC-Zentrale soll die Schnittstelle zwischen der Feinstaub-Maßnahme Neckartor und dem von der EU geförderten Mobilitätsprojekt 2move2 sein. Der Förderantrag ist schon raus, der Bescheid aber noch nicht eingegangen. Ziel ist es, auch noch bis zum Österreichischen Platz eine grüne Welle zu erreichen und andere Interessen darüber nicht zu vergessen. „Es ist eine neue Radfahrerfurt über die B 14 beim ADAC vorgesehen“, sagte Eichenauer. Von der zusätzlichen Fußgängerfurt, die die Verwaltung bis hin zu OB Schuster für den Bereich Ulrichstraße beim Haus der Abgeordneten in Aussicht stellte, ist keine Rede mehr.