Jubel bei den baden-württembergischen Grünen: Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz und Landtagspräsidentin Muhterem Aras fallen sich in die Arme. Foto: dpa/Fabian Sommer

Was sich zuletzt in der Bundestagswahl und auch in Landtagswahlen abgezeichnet hat, prägt auch den Ausgang der Europawahl in Deutschland. Die Union gewinnt, schwächelt aber. Die AfD legt zu, die Bäume wachsen ihr aber nicht in den Himmel.

Stuttgart. - So richtig europäisch sind die Wahlen zum Europäischen Parlament halt doch nicht. Schade. Der europäischen Einigung kann das nur zuwider laufen. Wie sehr die nationale Politik EU-Wahlen prägt, lässt sich am Ergebnis in Deutschland besonders gut ablesen.

Kein Rückenwind aus Deutschland

Da steht die SPD als die große Verliererin da. Von den Wählern rasiert, deutlich hinter den Grünen, Verluste nahe zwölf Prozentpunkten. Der in der niederländischen Heimat erfolgreiche Spitzenkandidat der Sozialisten im Europäischen Parlament für das Amt des Kommissionspräsidenten, Frans Timmermans, bleibt also ohne Rückenwind aus Deutschland.

Union verliert an Bindekraft

Für die Union heißt es wie so oft in den letzten drei Jahren: Wunden lecken. Sie bleibt stärkste Kraft, aber sie baut ab. Offensichtlich schwindet die Bindewirkung ihrer Themen und Kandidaten, vor allem bei jungen Wählern.

Zumindest was die Themen angeht, gilt für die Grünen das Gegenteil: Umwelt, Klimaschutz, Ernährung im Status von Neo-Religion beschäftigen immer mehr Wähler; und für immer mehr sind die Grünen erste Adresse. Insofern überrascht ihr Stimmenplus allenfalls durch die enorme Höhe.

AfD im nationalen Trend

Im nationalen Trend bleibt auch die AfD: Sie legt zu, aber die Bäume wachsen ihr nicht in den Himmel. Ihr Erfolg ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass von den sieben Abgeordneten, die sie nach der Europawahl 2014 nach Straßburg schicken durfte, am Ende nur noch Jörg Meuthen für die AfD im Parlament saß. Einen klareren Hinweis kann es kaum geben, dass die meisten AfD-Wähler von ihrer Partei keine irgendwie geartete Leistung erwarten sondern nur eines: gegen alles zu sein – im konkreten Fall gegen das Europäische Parlament.

Was folgt aus alledem? In Deutschland stehen Union und SPD vor neuen Debatten über ihr Führungspersonal und ihre Koalition. Sollte CSU-Mann Manfred Weber, Spitzenkandidat der Volkspartei im EU-Parlament, doch nicht Präsident der Kommission werden, wird die Debatte in der Union derjenigen in der SPD an Schärfe kaum nachstehen.

Das zentrale Ergebnis dieser Wahl aber ist, was EU-Kommissar Günther Oettinger treffend auf den Punkt gebracht hat: In den starken proeuropäischen Fraktionen des Parlaments, bei Christ- und Sozialdemokraten, verlieren die Deutschen an Mandaten und Bedeutung. Und damit Deutschland in Europa.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de