Nach einer langen Phase des Studiums auf Abstand kehren Studierende nun zurück an die Hochschulen. Doch wollen sie das überhaupt? Oder haben sie andere Ideen? Stimmen junger Leute aus Stuttgart.
Das Sommersemester hat begonnen, und auf den Campus in Stuttgart-Vaihingen ist das Studentenleben zurückgekehrt – nach einer langen Phase mit Vorlesungen aus der Ferne. Wegen der Coronapandemie mussten die Universitäten und Hochschulen ihre Studieninhalte seit März 2020 online anbieten. Nun soll es vorwiegend wieder Präsenzveranstaltungen geben, Online-Formate sollen nur Ausnahmen sein. „Uns ist es wichtig, dass Studierende die Möglichkeit haben, Campus-Luft zu schnuppern“, sagt Kerstin Lauer, die Sprecherin der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart-Vaihingen. Doch was sagen die Studierenden dazu? Wollen sie überhaupt zurück?
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Sabrin El-Zahab und Isabel Schumacher zum Beispiel freuen sich auf gemeinsame Mittagspausen. Die beiden Studentinnen im Master-Studiengang Lebensmittelchemie an der Universität Stuttgart (Kooperation mit der Uni Hohenheim) sind gern vor Ort, sagen sie. So könne man nach der Vorlesung beispielsweise mit den Kommilitonen über das Gelernte sprechen und ausstehende Fragen direkt klären. „In Präsenz hat man mehr Möglichkeiten, sich auszutauschen“, sagt Isabel Schumacher.
Die Vorteile von Online-Vorlesungen
Bei aller Freude gibt es ein Aber. Denn die beiden Studentinnen sehen auch Vorteile, die sie während des Online-Studiums hatten. „Wenn die Vorlesung aufgenommen wird, kann man sie sich noch einmal anschauen“, erklärt Sabrin El-Zahab. Das sei gerade in der Prüfungsphase nützlich, um den Lernstoff noch einmal zu wiederholen. Auch Alberto Sancho sieht darin einen Pluspunkt. Der Spanier kam vor sieben Jahren nach Stuttgart, um hier zu studieren. Er spricht zwar gutes Deutsch, hat jedoch manchmal Probleme, alles auf Anhieb zu verstehen. „Die Aufzeichnungen sind wertvoll“, so könne er noch einmal zurückspulen.
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Alberto Sancho sagt gleichzeitig: „Ich konzentriere mich besser in Präsenzveranstaltungen.“ Außerdem gefalle ihm der Abstand zwischen Schlaf- und Arbeitsplatz besser. „Ich will mein Leben ein bisschen teilen“, sagt der Maschinenbau-Student im Master. In dieselbe Richtung geht die Meinung von Beyza Bilen, die Informationswissenschaften an der HdM studiert. „Hier habe ich einen Lernvibe und sitze nicht neben meinem Bett“, sagt sie, während sie auf dem Campus die Zeit bis zur nächsten Vorlesung überbrückt. Dass die Studentin nun mit Kommilitonen gemeinsam pauken kann, stimmt sie positiv. „Man ist nicht auf sich alleine gestellt“, sagt sie. „In Präsenz kommt man mehr mit, und es macht mehr Spaß.“ Es komme allerdings darauf an, welche Module angeboten würden, sagt Beyza Bilen. Manche würden sich eher für online anbieten, Seminare mit Diskussionsstoff seien hingegen vor Ort hilfreicher.
Online hat das Zeitgefühl gefehlt
Sergiu Termure ist ebenfalls viel lieber an der Uni als daheim, auch ihm fehlte die Abtrennung. „Vor dem Laptop bin ich leichter abgelenkt“, sagt er. „Online hat man kein Zeitgefühl mehr gehabt.“ Das Studieren von zu Hause aus habe ihn mehr belastet. Im Bachelor-Studiengang Chemie- und Bioingenieurwesen an der Uni Stuttgart nutze er Präsenz, wo es nur geht. Bei hybriden Angeboten wähle er stets die Option vor Ort. „In Präsenz kann man sich besser konzentrieren“, sagt Sergiu Termure.
Mehr solcher Möglichkeiten würde sich Kai Leitenberger wünschen. Er studiert Public Relations an der HdM. „Ich fände eine Kombi ganz cool“, sagt Kai Leitenberger, dessen Vorlesungen mit einer Ausnahme alle in Präsenz gehalten werden. Auch er würde sich über Alternativen freuen wie beispielsweise Video-Zuschaltungen oder Aufzeichnungen, falls man den Termin – aus welchen Gründen auch immer – verpasse. „Man könnte die Vorteile weiterhin nutzen, die wir digital gelernt haben“, sagt der HdM-Student. Auf die Begegnungen vor Ort wolle er aber keinesfalls verzichten. Gerade Diskussionen seien live lebendiger, und „man kann abends mal gemeinsam ein Bier trinken gehen“.